Asche, Wind und Vulkanrodeln - Auf dem Cerro Negro in Nicaragua
18.03.2015 14:37Meine Schuhe sind voller Asche und winziger schwarzer Steine, die mich durch die Socken pieksen. Doch die Schuhe jetzt auszuziehen und zu schütteln, wäre unsinnig. Denn ich habe erst die Hälfte des Wegs hinter mir - und bis zum Fuß des Cerro Negro wären die Schuhe wieder voller Lava-Geröll. Wohlgemerkt, es geht bergab. Und mit aschigen Händen den Schweiß abzuwischen, ist auch keine gute Idee. Und während manche den Steilhang auf hochgeschleppten Surfboards oder Schlitten eher behäbig herunterfahren, habe ich mich dazu entschieden, herunterzurennen. So richtig oldschool, ganz ohne Actionkamera am Kopf.
Doch erstmal von vorne: Der Cerro Negro ist ein Vulkan in Nicaragua. Kein besonders großer, nur etwas über 700 Meter hoch - je nachdem, wann er ausbricht und wie hoch sich Geröll und Asche türmen. Mit dem kleinen Bus ging es von der Stadt Leon erst über eine mit Kopfstein gepflasterte Straße, dann über eine kilometerlange Asche. und Schotterpiste, vorbei an Maniokfeldern und einigen Pferdekarren. Ein dreibeiniger Hund hüpft vor uns davon, Kühe pflügen Äcker und vor einigen einfachen Holzhäusern rauchen noch Feuerstellen neben den Mangobäumen. Die kleine Bergkette Cordillera de los Maribios kommt derweil immer näher. Der Cerro Negro hebt sich hier mit seiner auf den ersten Blick fast schwarzen Färbung irgendwie bedrohlich von den anderen Bergen ab. Und das offenbar zurecht, denn der Vulkan ist nicht nur sehr jung (1850 ist er entstanden), sondern auch sehr aktiv (der letzte große Ausbruch war 1999 - aber er raucht kontinuierlich aus verschiedenen Stellen).
Der Fußweg nach oben zum Krater geht über rutschige Geröllbrocken, erst flach, dann immer steiler geht es hoch. Der Wind wird zunehmend stärker, bis es keinen Sinn mehr macht, Hut oder Mütze weiter auf dem Kopf zu lassen, ohne diese festzukrallen. An einer Bergkante steht eine verrostete Metallhütte, so groß wie eine Telefonzelle. Jeder Schritt ist kurz und fest, damit der tosende Wind mich nicht nach rechts oder links den Hang hinunterweht. Ein paar Leute mit den rustikalen Schlittenbrettern sind auch schon oben am Kraterrand angelangt und ziehen ihre Ganzkörper-Schutzoveralls an. Aus kleinen Löchern im schwarz-rot-grauen Boden nahe des Kraters dampft es, ich halte die Hand vorsichtig in die Nähe und spüre die aufsteigende Hitze.
Dann geht es an die berühmt-berüchtigte Hangseite des Hufeisenförmigen Vulkans. Eine Neigung von über 40 Grad. Ich traue mich am Anfang kaum, nach unten zu schauen. Markus Stöckl und Eric Barone rasten vor ein paar Jahren mit Mountainbikes hier herunter und erreichten über 160 Stundenkilometer. Unten zerlegte es Barone, er trug ein paar Brüche davon. Der böige Wind reißt mich fast schon nach unten. "Ganz ungefährlich", deutet ermutigend der Spanisch sprechende Guide an und rutscht ein paar Meter weiter runter. Probeweise gehe ich abwärts, merke, dass ich mit jedem weiteren Schritt knietief in das Aschegeröll einsinke. Dafür lässt der Wind unterhalb der Kante augenblicklich nach.
Ich bleibe noch kurz stehen und schaue, wie sich die Rodler anstellen. Eher langsam rutschen sie runter, ziehen eine meterlange Staubfahne hinter sich her. Einige fallen auch vom Schlitten, bleiben irgendwie hängen, oder zieren sich, sich ordentlich nach hinten zu lehnen, um Geschwindigkeit aufzubauen. Ich richte meine Konzentration wieder auf die Hangstrecke unter mir. Und dann renne ich los, so wie bei den Sanddünen in Namibia und im Oman, aber länger, weiter, tiefer. Nicht nur 30 Meter, sondern wohl 500. Immer nur locker aufstampfen, bis ein Knöchel versunken ist, derweil den anderen Oberschenkel kreisförmig schnell nach vorne und oben schwingen. Die Arme für das Gleichgewicht ein wenig ausgebreitet. Elegant mag anders sein, aber viel langsamer als die Schlittenfahrer bin ich auch nicht. Dafür füllen sich mit jedem Schritt die Schuhe mit Steinchen und Asche. Der Untergrund ändert sich alle paar Schritte, mal sinkt man tiefer ein, mal zieht man eine größere Aschespur hinter sich her.
Ein paar Dutzend Meter vor mir plumpsen drei Mädels in das Geröll, sie sind zu schnell gerannt, stehen aber nach viel Gelächter unbeschadet wieder auf. Weiter geht das Gerenne, bis zum Fuß des Vulkans. Außer Atem schließlich, schwitzend, setze ich mich auf einen der größeren Felsbrocken und leere erst einmal die Schuhe aus. Dann werfe ich einen Blick zurück, ein paar Hundert Meter nach oben, wo als winzige Silhouetten Menschen mit Holzbrettern stehen. Wieder rodelt einer los, ganz klein erst, wird er Sekunde um Sekunde größer, ohne Unterbrechung, einfach nur geradeaus fährt er hinab. Da denke ich mir dann, dass man manchmal auch ohne Hilfsmittel viel Spaß haben kann. Selbst mit viel Asche in den Schuhen und schwarzen Fußzehen.
Besucht im März 2015.
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