Äthiopien – Wo Kaffee eine Kunst ist
07.11.2014 14:56Sie pustet mir den Duft der gerösteten Kaffeebohnen direkt ins Gesicht. Aber nicht forsch oder hastig, sondern sanft, geradezu zärtlich. Gerade so, dass der Dampf meine Nase erreicht. Die junge Äthiopierin will mir ihre Kunst zeigen, die Kunst des Kaffeekochens. Es gibt keine Maschine mit 16 Bar, die vor sich hin brummt und blubbert, nur ihre geschickten Hände und viel Geduld. Kaffee (oder Buna, wie das Getränk hier heißt) zuzubereiten ist hier im Ursprungsland der dunklen Bohne Frauensache. Und eine richtige Zeremonie, die Zeit benötigt.
Ich sehe ihr zu, wie sie die getrockneten blassen Bohnen wäscht. Die Gastgeberin sitzt auf einem niedrigen Schemel, gießt ein wenig Wasser auf eine gute Handvoll Kaffee, mit kreisförmigen Bewegungen ihrer Hände entfernt sie Schmutzpartikel. Über einem kleinen Kohlenfeuer werden die Bohnen dann in einem Eisenteller geröstet. Sie wechseln ihre Farbe erst in ein helles braun, schließlich werden sie fast schwarz, schrumpfen ein wenig, der typische Kaffeeduft macht sich im Raum breit.
Zur Zeremonie gehört es, dass die Gastgeberin den Anwesenden eben diesen Duft noch ins Gesicht bläst. Nicht zu angebrannt, nicht zu dunkel, nicht zu hell, alles soll bei den Bohnen stimmen. Der Gast muss beeindruckt sein, die Köchin loben. Es ist in der Tat ein angenehmer Geruch, der intensiver und ursprünglicher ist, als das, was man in Deutschen Kaffeeküchen riecht. Hier geht es nicht um Crema, um Koffeingehalt oder um industrielle Röststufen. Hier geht es um die traditionelle Kunstfertigkeit der Gastgeberin, die nicht mit dem Handwerk eines italienischen Barista verglichen werden kann.
Sie bekommt Lob, nicht zu knapp. Ein zaghaftes Lächeln zeigt sich. Die würdevolle Zeremonie geht weiter: In einem Mörser stampft sie die Bohnen klein, bis ein grobes Pulver entstanden ist. Dieses wird schließlich mit Wasser in der typischen langhalsigen Kanne direkt über dem Feuer aufgekocht. Idealerweise drei Mal – und das dauert seine Zeit. Zeit für Gespräche mit dem Hausherrn. Die Arabica-Bohnen stammen direkt von hier, von einer Insel im Tana-See. Im Dschungel-artigen Wald ohne große Pflege gewachsen, im Frühjahr von Hand geerntet, mehr Bio und Fair-Trade geht nicht. Dabei gehen die besten Bohnen zumeist in den Export, gute Ware gibt es dann hier eben vor allem direkt beim Erzeuger.
Irgendwann ist genug Zeit vergangen, der Kaffee hat mehrfach gekocht, die Gastgeberin hat vor sich genügend Tassen für alle Gäste aufgebaut. Kunstvoll schenkt sie aus vielleicht 30 Zentimetern Höhe die winzigen Trinkschälchen voll, die nicht größer als eine Espresso-Tasse sind. Endlich ist der Moment gekommen: Ich spare mir Zucker oder Salz (ja, Salz machen hier viele in ihren Buna), schnuppere daran, nippe an der heißen und fast zähflüssigen schwarzen Flüssigkeit.
Sie schmeckt im ersten Moment wie ein Kind von Mutter Espresso und Vater Kaffee, trumpft dann aber mit Seele, Vergangenheit und einem dichten Aroma auf, das mich an den Unterschied von Discounter-Riesling und Großen Gewächsen erinnert. Es ist Kaffee, aber kein Kaffee, wie ich ihn bislang kannte. Buna ist Handwerk, Tradition und eine Kunst, die über Jahrhunderte kultiviert wurde.
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