Es war einmal ein Ritter, der von Germanien auszog, um Abenteuer in England zu bestehen. Er hatte den Gefahren des Ärmelkanals getrotzt und mit seinem stählernen Ross die weißen Klippen bei Dover erklommen. Im dortigen Schloss, gebührend empfangen, erzählte ihm ein alter Mann von König Artus, seiner Lady Guinevere und den Abenteuern der Ritter der Tafelrunde. Der Germanenritter war sofort Feuer und Flamme - denn schon in der Heimat hatte er von dieser legendären Gestalt aus dem 5. Jahrhundert gehört, von Artus und der Suche nach dem Heiligen Gral, vom Schwert im Stein und dem Killerkaninchen. So beschloss der Germanenritter, dass dies sein Abenteuer sein würde: dem alten König aus längst vergangenen Tagen nachspüren. Doch wo anfangen? Im Westen und an der Küste sollte er es versuchen, riet ihm der alte Mann. Doch der Weg dorthin sei weit und nicht ohne Gefahren. Der Germanenritter, der schon ganz andere Reisen auf sich genommen hatte, zuckte nur mit den Schultern, schlug sich stolz auf die Brust, schwang sich auf sein stählernes Ross und begab sich auf den Weg. Gen Westen zog er erst, vorbei an dunklen Wäldern und wunderschön verzauberten Gärten.
Schon bald erreichte er Winchester, eine Stadt voller kleiner Häuser und einer riesigen Kathedrale. Er stieg am Tor der Stadt ab und fragte den Wächter, ob er je von Artus gehört habe. "Du hast Glück, Fremder", antwortete ihm die Wache. "Geh zum großen Rittersaal und schau an die Wand." Ermuntert ob des rätselhaften Hinweises folgte der Ritter der Straße, bestach die holde Maid, die an der Tür zum Saal wartete, mit ein paar Pfund und staunte nicht schlecht, als er an der Wand des alten Saals tatsächlich etwas entdeckte: Nicht weniger als eine beeindruckend große Scheibe, im Durchmesser länger als zwei ausgewachsene Männer. Darauf mehrere Namen und das Antlitz eines Königs. "Hier saßen Artus und seine Ritter dran", sagte die holde Maid, hüstelte dann etwas und ergänzte im Flüsterton: "Also vermutlich an einem ähnlichen Ding, die hier ist ein paar Jahrhunderte nach deren Tod gezimmert worden." Der Germanenritter nickte anerkennend ob des Wissens der Maid und überredete sie, noch mehr Geheimnisse zu verraten. "Rund war der Tisch, damit es nicht zu Streit um die besten Plätze kommt", verriet sie ihm, "und in Tintagel in Cornwall soll Artus geboren worden sein." Dann wandte sie sich ab, denn andere Menschen hatten den Saal betreten und baten um ihre Aufmerksamkeit.
Tintagel? Welch wundersamer Name, dachte sich der Germanenritter, als er wieder auf sein stählernes Ross stieg. Cornwall - dies versprach wieder einen weiten Weg mit vielen Herausforderungen. Tagelang ritt er dahin, an alten, einst mächtigen Burgen wie dem Corfe Castle vorbei, von denen nur noch Gerippe standen. An wunderschönen Stränden machte er Rast, in der Kathedrale von Exeter bestaunte er die alte astronomische Uhr und in Plymouth den Ort, an dem die Pilger mit der Mayflower einst nach Amerika segelten. Schließlich erreichte er die Ortschaft Tintagel, band sein Ross am Pub mit dem Namen "King Arthur's Arms" an und stolzierte dort hinein. "Sagt, wo finde ich den Artus", fragte er den Mann am Zapfhahn, als dieser ihm ein bronzefarbenes Ale einschenkte. "Da habt Ihr Pech, Herr Ritter, der ist nicht hier und seine Burg ist ruiniert", antwortete dieser ihm. "Aber probiert Euer Glück unten am Ufer, vielleicht macht jemand auf", ergänzte er mit einem Zwinkern.
Der Ritter leerte flott sein Glas und marschierte hinab zum Strand. Auf halbem Weg schon wurde er barsch von einem Wächter angehalten. "Stopp, Tintagel ist dicht, wir bauen eine neue Brücke rüber", sagte dieser. "Na und, ich will auch nur mal schauen", erwiderte der Ritter, schob den Wächter mit Links beiseite und stapfte weiter Richtung Ufer, wo sich die Artus-Burg auf einer dicht vorgelagerten Insel befinden sollte. Doch dann: Endstation. Da geht's ja wirklich nicht rüber, murmelte er vor sich hin. Die dicken Absperrbalken konnte er nicht einfach beiseite räumen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den Strand nach links und nach rechts abzulaufen und von überall zu erspähen, was es zu erspähen gab. Gischt nahm ihm die Sicht auf der einen Seite, hohe Felsen die Sicht auf der anderen Seite. Ein paar zerfallene Mauern konnte er erahnen, doch nicht mehr. Da setzte sich der Germanenritter nieder, seufzte laut und sprach: "Welch Pech hab ich nur, ausgerechnet jetzt ist das Ding dicht. Wie soll ich nun mit meiner Aventüre fortfahren?" Sodann warf er ein Steinchen ins Meer. "Aua", gellte plötzlich ein Schrei aus dem Nass und das Wasser fing an zu schäumen und brodeln. Eine verschwommene Gestalt erhob sich aus der Flut. "Wer wirft nach mir?", fragte die erkennbar weibliche Stimme. "Ja sorry, ich bin gerade ein bisschen angenervt", antwortete der Germanenritter und schob hiernach: "Jetzt wollte ich schauen, wo Artus geboren wurde, und komme nicht rein. Hast du einen Tipp, wo ich jetzt hin kann, um mehr über ihn zu erfahren?"
"Na klar, oh Ahnungsloser. Ich bin Nimue, die Herrin vom See, die Königin des Wassers. Ich gab Artus einst sein Schwert, Excalibur. Dies verlieh ihm übermenschliche Kräfte, damit er sein Königreich beschützen konnte." Der Germanenritter stutzte. Ihm fiel ein Satz ein, den er mal irgendwo gehört hatte. Und so sprach er zur Wasserkönigin: "Hör zu: Fremde Weiber, die in irgendwelchen Tümpeln hocken, sind keine Basis für irgendein Regierungssystem. Aber egal. Faszinierend, dass Du ihn gekannt hast. Wie war er denn so?" Nimue antwortete leicht verärgert: "Woher soll ich das wissen? Ich habe ihm nur das Schwert gegeben. Ich fand Merlin, den Zauberer, der da hinten in der Höhle lebte, viel süßer. Aber probier es doch mal in Glastonbury, da hab ich mal was von gehört." Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, wandte sich Nimue vom Germanenritter ab und sprang zurück ins Meer. Mit einem Seufzen raffte sich der Ritter wieder auf, stapfte zurück zu seinem stählernen Ross und machte sich auf den Weg in den Nordosten, vorbei an hohen Klippen, dünn besiedeltem Hügelland und grasenden Wildpferden.
Nach wenigen Tagen erreichte er schließlich Glastonbury. Der Duft von Marihuana und Räucherstäbchen wehte ihm in die Nase, in den Straßen scharwenzelten Hippies und Barden übten ihren Minnesang. An den Ruinen der Abtei machte der Germanenritter halt. Ein angetrunkener Benediktinermönch stolperte ihm mit einem Bierkrug in der Hand entgegen. "Guter Mönch, sagt, was wisst Ihr über König Artus?" fragte der Ritter. "Welcome to Avalon, hicks, frag ihn selber, der liegt dahinten", bekam er nur zur Antwort, bevor der Benediktiner sich an einer Mauer hinfläzte und einschlief. "Ist es möglich, lebt er noch hier?", dachte der Ritter aufgeregt. Seine Anspannung wuchs, eilig folgte er dem Zeig des Mönchs, ging hinein auf das Abtei-Gelände und durchforstete die Gebäude nach König Artus.
Kaum hatte er die Liebfrauenkapelle durchquert und sich den abgemagerten Mauern der einstmals stolzen Abtei genähert, stutzte er. Vor ihm lag ein mit Blumen geschmücktes Grab, darüber ein Schild. "Site of King Arthur's Tomb" stand darauf. Hier sollen sie einst gelegen haben, die sterblichen Überreste des legendären Artus und seiner geliebten Guinevere - dann im 16. Jahrhundert verschwunden durch die Auflösung der Abtei. Der Germanenritter sank auf die Knie, seine Suche schien beendet. Stumm verharrte er, betrachtete länger das kleine Schild vor ihn, dann glitt sein Blick von den Blumen auf die Ruinen um ihn herum. "Vielleicht wird König Artus eines Tages wiederkommen", hörte er ein leises Flüstern in seinem Kopf. "Denn ein Mythos stirbt nie." Der Germanenritter lachte leise, stand auf und zog von da an weiter durchs Land, beharrlich auf der Suche nach dem Gral und weiteren Insignien des alten Königs.
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