Auferstanden auf und in Ruinen: Was Plovdiv einzigartig macht

12.02.2025 11:42
Theater in Plovdiv, Bulgarien. Foto: wanderwithwolf.de
 
Herzlich Willkommen in Plovdiv, einer Stadt, wie es sie kein zweites Mal gibt.
Genießen Sie die einzigartige Melange aus historischer Architektur, Sowjet-Charme und modernem Durcheinander.
Sie wollen 2000 Jahre alte Mauern und Stufen des Römischen Stadions von Philippopolis sehen? Dann gehen Sie in den H&M shoppen. 
Sie wollen den Sonnenuntergang vom zentralen Hügel, dem Nebet Tepe, aus sehen? Der ist zwar wegen Renovierungsarbeiten gerade gesperrt, aber das können Sie ignorieren. Gehen Sie einfach den vielen anderen Menschen hinterher, die sich unerlaubt durch die Zäune zwängen. Das interessiert hier niemanden. 
Sie wollen durch das Romanische Forum von Philippopolis schlendern? Gerne, es ist wunderbar durchschnitten von der 375-Straße und halb überbaut von der Post, einem wirklich hässlichen Bau des Sozialismus
 
Plovdiv, Bulgarien. Foto: wanderwithwolf.de
 
Okay, das klingt alles erstmal kurios. Aber in der Tat ist Plovdiv eine wirklich interessante und auch schöne Stadt. Die Thraker waren schon hier, die Makedonen, die Römer - nun ist es die zweitgrößte Stadt Bulgariens. Und obwohl viele römische Bauwerke in Teilen überbaut sind, macht man sich durchaus die Mühe, sie in irgendeiner Form zu präsentieren. Auch wenn es in einem Kleidungsgeschäft ist. Es gibt Hinweisschilder, einige kleine Modelle, Plakate - und einiges an Werbung, um sich die Überreste von Stadion, Theater und Co. anzuschauen. 
 
Plovdiv, Bulgarien. Foto: wanderwithwolf.de
 
Das Theater von Philippopolis - so hieß Plovdiv in römischer Zeit - wurde kurioserweise erst Ende der 1960er bei einem Erdrutsch wiederentdeckt. Dann legte man sich aber ins Zeug bei der Renovierung. Und tatsächlich ist es heute eines der Highlights bei einem Besuch von Plovdiv. Man sollte es sich nicht entgehen lassen, die Treppen des Theaters erst runter und dann hoch zu marschieren, auf der Bühne in die nicht ganz leeren Ränge zu schauen oder sogar einer Aufführung beizuwohnen. Denn natürlich wird das Theater mit seinen über 5000 Sitzplätzen heute wieder genutzt - für Theater, Konzerte und einiges mehr. 
 
Plovdiv, Bulgarien. Foto: wanderwithwolf.de
 
Ich muss gestehen, dass ich Plovdiv und auch Bulgarien vor meiner Reise hierher massiv unterschätzt habe. Denn was geht einem im Allgemeinen durch den Kopf, wenn man Bulgarien hört? Osteuropa? Goldstrand und Sonnenstrand? Viel mehr kommt dabei am Anfang selten rum. Manche haben vielleicht von der Hauptstadt Sofia gehört. Oder vom Exportschlager Rosenöl. Ich hatte auch nur geringe Vorstellungen von der Vielfalt Bulgariens. Umso erstaunter war ich, als ich von den ganzen kulturellen Hinterlassenschaften erfuhr, die man hier noch entdecken kann. Neben Plovdiv sind das etwa die Festung Zarewez in Weliko Tarnowo, mehrere bedeutende Thrakergräber und auch die Altstadt von Nessebar. Warum bekommt man in Deutschland so wenig davon mit?
 
Plovdiv, Bulgarien. Foto: wanderwithwolf.de

Aber jetzt bin ich erst einmal in Plovdiv und versuche mich zurechtzufinden. Ich laufe vom überbauten Forum über das teils zugebaute Römische Stadion, dann an der Dschumaja-Moschee nach rechts Richtung Altstadt. Die Moschee ist ein weiterer Mosaikstein im historischen Gemenge der Stadt - denn sie die älteste erhaltene Freitagsmoschee der osmanischen Architektur auf dem Balkan. Dann geht es weiter hinauf in die hügelige Altstadt, über Kopfsteinpflaster, vorbei an Kirchen und den immer noch prächtigen Häusern der "Nationalen Wiedergeburt", als die Stadt im 19. Jahrhundert wirtschaftlich aufblühte. In der südlichen Altstadt liegt das römische Theater, direkt darunter verläuft der Tunnel einer Straße. Im nördlichen Teil der Altstadt ist der Nebet Tepe, der Hügel, wo einst eine Zitadelle stand, von der heute aber nur wenige Reste vorhanden sind. Hier sollen schon vor 6000 Jahren Menschen gesiedelt haben. Erst die Thraker, dann die Makedonen und Griechen, heute nun die Bulgaren.   
 
Plovdiv, Bulgarien. Foto: wanderwithwolf.de
 
Ich zwänge mich also hier durch den Bauzaun, der eigentlich das Areal aktuell wegen Renovierungsarbeiten unzugänglich machen sollte. Als "Vorbild" dienen mir dabei die vielen anderen Menschen, die ohne Sorge und Mühe hindurchschlüpfen. Das Gelände auf dem Nebet Tepe ist entsprechend voll: Junge und ältere Menschen, rauchend, picknickend, trinkend. Auch Eltern mit Kinderwägen haben es durch den Zaun geschafft und blicken auf die Stadt hinab, die sich über mehrere Hügel erstreckt. Plovdiv soll ja auf drei Hügeln gebaut worden sein, heute umfasst sie sechs, auch wenn Plovdiv "Die Stadt der Sieben Hügel" genannt wird. Wieder so ein Kuriosum. Der einfache Grund: Der Hügel "Markovo Tepe" wurde in den 1930ern abgetragen, um mit seinen Steinen Straßen zu bauen. Heute steht an seiner Stelle eine Shoppingmall.  
 
Plovdiv, Bulgarien. Foto: wanderwithwolf.de
 
Irgendwie muss man in Plovdiv immer aufpassen, wenn man ein neues Haus oder eine Straße bauen will. Denn, wie in so vielen Städten mit römischen oder griechischem Erbe, versteckt sich da noch so einiges im Untergrund. Bestes Beispiel: Die Große Basilika von Plovdiv, oder zumindest das, was von ihr übrig geblieben ist. Riesige Mosaike, die erst vor wenigen Jahren angemessen von einem modernen Museum überbaut worden sind. Abgebildet sind Gänse, Pfauen und geometrische Muster, Herzen und Trauben. Von den Mauern der einstigen Basilika ist zwar nicht mehr viel übrig. Aber wenn man bedenkt, dass das alles erst vor 40 Jahren beim Bau der 375-Straße wiederentdeckt worden ist, haben sich Archäologen, Konservatoren und Co. hier richtig ins Zeug gelegt. 
 
Plovdiv, Bulgarien. Foto: wanderwithwolf.de
 
Sie sehen also: Plovdiv hat viel zu bieten - über und unter der Erde, manches gut sichtbar, anderes gut versteckt. Der interessierte Entdecker kann sich wie in einem Abenteuerpark fühlen. Und er sollte hinter jeder Ecke genau auf die Dinge achten, die andere vielleicht in ihrer Hast übersehen. 
 
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Weitere Geschichten von mir gibt es auch in meinem Buch: "40 Länder - 40 Bilder - 40 Geschichten" - überall erhältlich, wo es Bücher gibt. 
 
 
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