Ein Wochenende im Großherzogtum.
Der schwarze Ferrari ist hinter mir. Und er drängelt. Obwohl es taghell ist, hat er seine Scheinwerfer an und hätte ich ein niedrigeres Auto, würden sie mich wohl im Rückspiegel blenden. Mir egal, ich hab das Fenster meines Smarts runtergekurbelt, den Ellenbogen draußen, aus den Boxen dröhnt Fleetwood Macs "Go your own way" und ich singe lauthals mit. Die nächste Kurve kommt, eng und ansteigend, inmitten des dichten Waldes hier in Luxemburg. Es ist Sonntag, ich habe Zeit, die Sonne zwängt sich immer wieder durch die Wolken, deswegen kann der Ferrari mich nicht aus der Ruhe bringen. Luxemburg City habe ich hinter mir gelassen, eine gemütliche Stadt, der alte Teil auf einem Berg thronend, die Mauern ummanteln den schönsten Balkon Europas. Ich habe die Altstadt erwandert, die Kasematten besucht, die bekanntesten heimischen Biere probiert und vom Riesenrad auf der Schobermesse einen grandiosen Blick auf den Pöbel unter mir gehabt.
Jetzt will ich mir einige Burgen im Norden und Nordosten anschauen: Bourscheid ist das erste Ziel, gut 40 Kilometer nördlich von Luxemburg Stadt - und genau hier auf der Strecke ist mir der Ferrari auf den Fersen. Vielleicht liegt es ja an der Marke, dass die Fahrer nicht langsam cruisen, sondern immer den Fuß auf dem Gas haben. Die long and winding road ist allerdings erstaunlich leer, rechts und links hohe Bäume, sie schlängelt sich die Berge hoch und runter. Verkehrsschilder sind Mangelware, das Navi kennt den Weg und lotst mich durch schmucke kleine Orte mit schönen neuen Häusern, davor dicke Jeeps, Audis, BMW, auch Maseratis und Porsche. Klischee pur. Wohnen ist teuer in Luxemburg, das Leben auch. Nur Sprit, Kaffee und Zigaretten sind billig.
Irgendwann biegt der Ferrari hinter mir an einer Kreuzung ab. Ich bin wieder allein auf der Strecke. Mal kommen mir ein paar Motorräder entgegen, vereinzelt auch Autos, aber im Vergleich zu Deutschland kommt es mir merkwürdig einsam vor. Gerade mal 50 Minuten brauche ich bis zur Burg von Bourscheid, die interessanterweise unterhalb der eigentlichen Ortschaft liegt. Für die Besichtigung nehme ich mir ähnlich wenig Zeit, aber es reicht. Größtenteils eine Ruine, aber immer noch imposant auf einem Schieferfelsen gelegen, ist die Burg ein kleines Schmuckstück.
Vianden hingegen ist ein ziemlich großes Schmuckstück und meine nächste Station, 26 Kilometer Fahrtstrecke weiter östlich. Die Straße dorthin ist wieder kurvig, bergig, leer. Allerdings sind das Städtchen Vianden und sein Schlosspalast - eine der "größten und schönsten feudalen Residenzen der romanischen und gotischen Zeit in Europa" - mit Touristen üppig gefüllt. Also mache ich mich nach der Besichtigung auf zur 17 Kilometer entfernten Beauforter Ritterburg, die eher versteckt in einem Tal liegt, neben einem kleinen See. Die Ruinen punkten mit einem verwunschenen Flair und einem hohen Turm - hier hätte auch Rapunzel ihr Haar zum Prinzen hernieder lassen können. Abgesehen jedenfalls von der Streckbank und den Daumenschrauben im Folterkeller. Eine Folter für die Augen ist es jedenfalls für die gut 20 Mercedes E-Klasse Fahrer, die zu der Burg eine Ausfahrt machten, und dann meinen Smart sehen, auf dessen Kennzeichenhalter Mercedes-Benz draufsteht. Ein weiteres Stück Provokation ist es dann auch, als ich mich bei der Abfahrt zwischen einige der teils 20 Jahre alten E-Klassen drängle und ein paar Kilometer mitfahre - bis ich dann die Abzweigung nach Larochette nehme.
Hier, in der nächsten Schlossruine, findet zufälligerweise gerade eine Kunstausstellung im restaurierten Kriechinger Haus statt - mit Buffet, Livemusik und Künstlern, die dem unkonventionellen Aussehen nach zumindest solche sind. Ich hatte mich schon beim Parken gewundert, was da für merkwürdig gekleidete Leute aussteigen. Die Kunst ... Geschmackssache: Ein Bild einer fetten Frau in eindeutig erotischer Haltung lehnt an der Burgmauer, Gartenzwerge mit Stinkefinger und eine pummelige Putte mit Totenschädel statt Kindskopf sind in den Räumen zu sehen. Bloß weg hier, denke ich, laufe noch schnell die anderen Ecken der Ruine ab und fahre dann weitere 20 Kilometer in Richtung Osten nach Echternach.
Die Stadt ist der Schlusspunkt meines kurzen Sightseeings in Luxemburg, eine der ältesten Christianierungsstätten Europas. Das Zentrum ist noch abgesperrt, weil ein paar Stunden vorher das Radrennen "La Charly Gaul" veranstaltet wurde. Ich parke direkt an der Grenze, neben dem Flüsschen Sauer und folge schließlich in der Benediktinerabtei den Spuren des heiligen Willibrords. Die Grenze nach Deutschland überquere ich später mit Lynyrd Skynyrds "Free Bird" im Ohr. Und kaum in Deutschland sind die Straßen auch schon gleich viel voller.
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Besucht im August 2013.
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