Das Tempelmeer zu meinen Füßen - Im Ballon über Bagan
24.03.2016 18:43Die Flamme faucht direkt neben mir. Ein paar geröstete Insekten fallen auf meinen Pullover. Ich schüttele sie ab, so dass sie ein wenig nach vorne fallen, über den Rand des Ballonkorbes hinaus. Sie stürzen fast 200 Meter in die Tiefe, auf ein Feld zwischen einigen der tausenden Tempeln und Stupas hier in Bagan. Wir schweben weiter in unserem Heißluftballon über die Ebene, dem nächsten Sakralbau entgegen, über ockerfarbene Felder, über staubige Straßen hinweg.
Es ist meine erste Ballonfahrt. Und das riesige Tempelfeld von Bagan in Myanmar ist der optimale Ort dafür: Denn ich bin sowieso im Urlaubsmodus. Früh aufstehen ist damit schon mal kein Problem, die Kamera liegt auch schon bereit. Und die Neugier ist groß, zum Sonnenaufgang über einem mystischen Ort zu schweben, gemeinsam mit einem Dutzend weiterer riesiger Ballons, die über den alten Tempeln wie UFOs von einer anderen Welt erscheinen.
Es ist kurz vor sechs Uhr am frühen Morgen, als uns der Fahrer am Startplatz abliefert. Für Myanmar ist es noch verhältnismäßig kalt, es ist dunkel und so ganz ohne Straßenbeleuchtung hab ich keinen Plan, wo wir eigentlich genau im Gebiet von Bagan sind. Wir werden in ein niedrig umzäuntes "Gehege" gebracht, in dem Klappstühle, Tee und Kaffee bereit stehen. Unser Kapitän heißt Stephen, stammt aus England und ist schon verdammt gut gelaunt, als er unsere Namen radebrechend vorließt und uns davor warnt, leichtsinnig außerhalb der Umzäunung herum zu streunen. Langsam wird es hell, ich sehe die Ballons nebeneinander liegen, viele Helfer schwirren um sie herum, bereiten alles vor. Stephen ruft uns zu sich, erklärt, wie wir im Ballon zu sitzen haben und auf was wir achten sollen. Mit müden Augen höre ich ihm zu, am Kaffee nippend. Doch als plötzlich die Brenner für die Ballons angeschmissen werden, bin ich schlagartig hellwach. Die Ballonhüllen füllen sich, ein gutes Dutzend, sie blähen sich und richten sich eine nach der anderen wie mächtige Riesen über unseren Köpfen auf.
Dann heißt es "all right, get in". Stephen grinst uns an, mit seinen feuerfesten Handschuhen betätigt er die Brenner, während wir in den Korb kraxeln und es uns in den engen Abschnitten bequem machen. Kaum sind alle 16 Passagiere drin, gibt der Engländer noch mehr Gas und langsam geht es aufwärts. Meter für Meter nach oben, nur ein Ballon ist schon über uns, in den anderen lodern die Stichflammen weiter, bis sich auch dort die Körbe gemächlich vom Boden heben.
Wir schweben. Immer höher geht es hinauf, den schmalen Wolken entgegen. Die Finger an der Kamera, rotieren meine Augen förmlich zwischen dem Display und der Realität hin und her. Die ersten Tempel erheben sich aus der Landschaft wie Brüste von daniederliegenden Gigantinnen. Der Aussichtsturm des Aureum-Hotels erhebt sich zu meiner linken Seite, auf der rechten mäandert der Irrawaddy-Fluss wie trüber Chai-Tee träge gen Süden. Nun kann ich auch sehen, dass wir irgendwo nahe des Golfplatzes in die Luft gegangen sind. Stephen klickt auf seinem Tablet herum, zeigt mir auf einer Karte den Startpunkt und die voraussichtliche Route, die per GPS-Tracking ständig neu berechnet wird. Der Wind treibt uns ziemlich genau in südliche Richtung. Der Engländer erläutert die verschiedenen Tempel, erzählt, wie er hier angeheuert wurde und unterhält uns mit seinen Anekdoten von Promis, die schon mit ihm flogen ("Bono just loved it!"). Jeden Morgen um 4 Uhr muss er raus, sieben Tage am Stück - und am freien Tag kann er dann auch nicht ausschlafen. Dann erzählt er von Hochzeiten und Partys in Bagan, vom treuesten Hund, der den Ballonfahrern überallhin folgte und von seinen burmesischen Helfern, die einen "great job" erledigen. Zwischendurch dreht er unseren Korb mehrmals um 360 Grad, damit auch alle Passagiere in den Genuss des Rundumblicks kommen.
Mittlerweile sind hinter uns alle Ballons aufgestiegen, rot, gelb und grün schweben sie in unterschiedlicher Höhe über die Tempel. "Hoch fliegen kann jeder. Nur knapp über den Tempeln hinweg zu schweben, ist die größte Kunst", sagt Stephen und lässt unseren Ballon etwas absinken. Über 300 Meter hoch kommen wir an diesem Morgen nicht, dafür könnten wir schon fast unbeschadet aus dem Korb auf eine Stupa nach unten hüpfen. Die Sonne kriecht langsam am Horizont hervor, noch ist es diesig, zwischen den Tempeln wabert der Dunst der Nacht. Wir überfliegen eine der kleinen Ortschaften mit unzähligen Wellblech-Dächern, einige Bauern treiben schon ihre Herden auf die in der Trockenzeit ockerfarbenen Felder und auf den großen Tempeln, die noch bestiegen werden dürfen, winken uns Frühaufsteher mit ihren Kameras entgegen.
Nach geschätzt 100 Fotos und einigen Kurzvideos lasse ich die Kamera immer häufiger baumeln und genieße die Sicht in alle Richtungen, das Sonnenlicht, das nun die Ebene im Herzen von Myanmar rötlich färbt und das gelegentliche Zischen der Gasbrenner. Wir treiben dahin, bis wir das Tempelfeld hinter uns gelassen haben und nur vereinzelt die Spitzen von uralten Bauwerken zwischen Bäumen hervorlugen. Der erste Ballon vor uns bereitet sich schon auf die Landung vor, unter uns sausen die rustikalen Begleitfahrzeuge herbei. Schließlich sagt auch Stephen, dass wir uns setzen und festhalten sollen, dann gibt er noch kurz etwas Gas, um einem Baumwipfel zu entkommen. Ich höre ein Schleifen am Korb, dann geht es weiter abwärts. Und mit einem leichten "Boink" setzen wir auf. Die Helfer kommen über einen Acker angerannt, spannen Seile, damit der Korb nicht von einem Windstoß wieder nach vorne gewuppt wird.
Dann können wir aufstehen. Stephen zeigt uns die Anzeige auf seinem Tablet. 55 Minuten waren wir in der Luft, etwas über 20 Kilometer weit sind wir geflogen. Er klickt weiter, lacht dann plötzlich auf und sagt: "Ich sehe hier gerade: dies war mein 100. Flug über Bagan." Applaus - und natürlich Champagner für alle, nachdem wir schon trunken von Endorphin, Dopamin und Adrenalin aus dem Korb getorkelt sind.
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