Der einsame Buddha und ich: Unterwegs in Sukhothai
21.03.2019 11:19
Einsam steht der gewaltige Buddha auf seinem Berg. Wobei, Berg mag etwas übertrieben sein, es ist ein überschaubarer Hügel am Rande einer Ebene. Ich bin hier, um den Buddha von Wat Saphan Hin zu besuchen. Erst klimme ich die bröckeligen Treppen zu ihm empor, eher Mauerreste, als Stufen, dann setze ich mich zu ihm. Und dann blicken wir gemeinsam auf die Ebene vor uns, die langsam im Dunkel der emporsteigenden Nacht verblasst. Viele Bäume, wenige Lichter, ein paar niedrige Dächer kann ich weit hinten Richtung Horizont erkennen. Die untergehende Sonne wärmt unsere Rücken, dabei ist es hier wirklich warm genug, in der weiten Ebene im Norden Thailands.
Vor wenigen Stunden bin ich in Sukhothai angekommen, der "Wiege Thailands" und die erste Königsstadt des Reiches. Tausende Menschen lebten vor gut 700 Jahren hier, in wunderschönen Palästen, in einer quadratisch angelegten Stadt, umgeben von Wassergräben. Sie bauten gewaltige Tempel und Stupas zu Ehren Buddhas. Sie führten Kriege, eroberten andere Städte und gingen dann unter. Heute ist Bangkok die Metropole Thailands, ein Moloch, der schon längst die früheren Königsstädte in seinem Streben nach Gewaltigkeit hinter sich gelassen hat. Das historische Sukhothai ist nur noch eine Ruinenstadt, ähnlich wie Angkor Wat, allerdings kleiner und beschaulicher. Der Einfluss der Khmer ist dennoch unverkennbar.
Ich habe mir ein Fahrrad gemietet, um zwei Tage lang die Überreste des Unesco-Weltkulturerbes zu erkunden. Schon morgens knallt die Sonne, aber es ist weniger schwül als in Bangkok. Bäume spenden Schatten, die Distanzen sind keine allzu große Herausforderung. Von einem Zaun umgeben ist nur der innere Teil der historischen Anlage, in dem die größten und schönsten Bauten, wie der Wat Mahatat, zu sehen sind. Alte Buddhas, schiefe Säulen, gewundene Bäume, dazwischen ein paar Mönche in grellorangenem Gewand – ich bin begeistert. Dazu treffe ich auf einheimische Schulklassen, dir mir auf Rädern grüßend entgegenkommen. Im Norden entdecke ich weitere Anlagen, die Brennöfen, in denen damals die Ziegel für die Tempel gefertigt wurden, und natürlich den riesigen Mangobaum in der Anlage Wat Si Chum, darunter der gewaltige Phra-Achana-Buddha.
Später führt mich mein Weg zu den einsamen Ruinen wenige Kilometer westlich des Zentrums, wo am späten Nachmittag so gut wie keine Besucher mehr sind. Die kleinen Tempel aus gebrannten Ziegeln am Straßenrand wirken wie Kriegsruinen. Ich radle von einem zum anderen, sie sind unscheinbar, nur wenige Buddhafiguren haben darin überlebt, viele sind kopflos. Ich radle weiter, an einigen flachen Häusern der heutigen Bewohnern vorbei, auf die Hauptstraße in Richtung Tak, auf der auch nichts mehr los ist, und dann zum Hügel mit dem stehenden Buddha, auch Wat Saphan Hin genannt. Oben kann ich noch einige weitere Besucher erkennen, doch kaum habe ich mein Rad abgeschlossen und die ersten Stufen erklommen, machen sie sich auf den Abstieg.
Da sind wir also, der Buddha und ich, einsam auf dem Berg. Der steinerne Buddha ist mit der Abhayamudra-Handhaltung verewigt - eine Geste des Grußes und der Schutzgewährung. Schutz brauche ich heute wohl nicht, ich wüsste nicht wovor; den Gruß natürlich erwidere ich gerne. Vögel kann ich hier oben nur spärlich ausmachen, ein paar Spatzen vielleicht sausen durch die Baumspitzen. Autos sind auch keine zu hören oder zu sehen. Es ist merkwürdig, wo doch einst auch hier das Leben in vollen Zügen tobte. Die andere ehemalige Hauptstadt Siams, Ayutthaya, die ich wenige Tage vorher besuchte, strotzte nur so vor Besuchern. Ich mag diese Einsamkeit, zumindest für diesen kurzen Moment – für Jahrhunderte möchte ich es nicht ertragen. Doch in diesem Augenblick wirkt sie befreiend, so ganz fernab von Kriegen, von Debatten über Naturschutz und politische Korrektheit, von Dieselskandalen und der alltäglichen Idiotie.
Der Buddha, über zwölf Meter ist er hoch, hat Jahrhunderte kommen und gehen sehen, viele Besucher sind zu ihm hinaufgegangen, haben ihn angebetet, ihn angelächelt, in jüngster Zeit auch fotografiert. Weltkriege hat er überdauert, Städte und Häuser im Entstehen und in der Vernichtung erlebt. Wer weiß, was er noch in seiner Einsamkeit alles kommen und gehen erlebt. Ich warte bei ihm, bis die Sonne verschwunden ist, bis die Dunkelheit über die Ebene vor uns kriecht, dann steige ich hinab, auf mein Rad und kurbele der Nacht entgegen.
.
Mehr zu Thailand:
Anstehen im Paradies: Keine geheime Mission am James-Bond-Felsen
-----
Nix verpassen? Lust zu einem Kommentar? Follow me here: