Wer von Dubai redet, redet in Superlativen. Riesig, pompös, glitzernd - von allem das Beste. Die schönsten Hotels, das höchste Haus, das tollste Essen, die wuchtigsten Autos, der meiste Baulärm. Das Disneyland in der Wüste, das Las Vegas der Vereinigten Arabischen Emirate. Es gibt keine Grenzen nach oben - und keine nach unten. Natürlich habe ich mir vorher auch Gedanken gemacht, ob ich diese künstliche Stadt, die scheinbar so viele Kritiker wie Befürworter hat, mit einem Besuch unterstützen soll. Sklavenmäßige Arbeitsbedingungen, Scharia-Gesetz, die Benachteiligung von Frauen. Mit negativen Aspekten wird man in der Berichterstattung über Dubai immer wieder konfrontiert. Doch letztlich siegte meine Neugier - und ich machte mich auf den Weg in die Emirate.
Und jetzt laufe ich Anfang September bei ungefähr 40 Grad durch leere Straßen in einem leeren Stadtviertel. Es heißt Bastakiya - und soll irgendwie ein bisschen das historische Viertel von Dubai darstellen. Am Creek gelegen, bietet es einladende Shops, nette Cafés und interessante Museen in Gebäuden, die an das vorletzte Jahrhundert erinnern sollen. Enge Gassen, Windtürme und schön renovierte Lehmhäuser prägen das Bild. Aber an diesem Vormittag ist das Viertel wie ausgestorben. Es ist offenbar nicht nur den Touristen zu heiß, sondern auch den Händlern. Einer von ihnen kehrt lustlos den Weg vor seinem Laden, ein Security-Mann lehnt gelangweilt an einer Mülltonne. Als ich das Münzen-Museum betrete, sitzt niemand am Empfang. Ich gehe herein, schaue mich in klimatisierten Räumen um - und erst beim Rausgehen schlurft ein Mitarbeiter herbei, der mich nach meiner Nationalität fragt, diese auf einem Zettel einträgt und mich schließlich verabschiedet. Erst im ältesten Gebäude Dubais, dem Al-Fahidi-Fort, heute ein Museum, treffe ich wieder auf ein paar weitere Touristen, die allerdings bequem mit dem Bus hier herum gefahren werden.
In den Souks rund um den Creek herrscht dann aber wieder gähnende Leere. Ein paar Verkäufer winken mich herbei, wollen mir Tücher, Schals oder gefälschte Uhren verkaufen. Doch in der Hitze vergeht auch mir die Lust zum Handeln. Ich fahre mit dem Abra-Wassertaxi über den Creek, schlurfe noch kurz durch den Gold-Souk, aber finde da alles eh nur kitschig - und zu teuer. Also nehme ich schließlich die Metro, fahre durch die halbe Stadt in die eiskalte Dubai Mall zu Füßen des höchsten Gebäudes der Welt, dem Burj Khalifa, in ein anderes Jahrhundert, ein anderes Jahrtausend - eigentlich eine ganz andere Welt. Hier liegt der Schotter, hier wird geprotzt, hier wird Geld ausgegeben. Luxusklamotten und die teuersten Uhren gibt es hier zu kaufen, außerdem das größte Aquarium der Welt, eine Eislaufbahn und vieles mehr. Einen ganzen Tag kann man problemlos durch die Mall laufen, ohne am selben Schaufenster noch einmal vorbei zu kommen. Ich entscheide mich nach ein paar Runden durch die Flure gegen das Shoppen (die Preise sind nicht günstiger als in Deutschland ...) und für das Hinauffahren in den 124. Stock des Burj Khalifa, in gut 456 Metern Höhe. Die Schlange ist kurz, der Aufzug schnell - und oben ist es auch nicht voll. Allein die vielen hier arbeitenden Fotografen nerven und wollen für unverschämt teure Fotos ein Lächeln vor einem Greenscreen haben, um mich dann per Photoshop vor den Skyscraper zu retouchieren - nein, danke.
Klar ist die Aussicht super, natürlich ist es beeindruckend, aus dieser Höhe auf Dubai und die anderen Wolkenkratzer herabzublicken. Es gibt viele Baustellen und viele Autos, die unter einem herumwuseln wie Ameisen. Aber es ist etwas diesig, nach wenigen Kilometern verschwimmt alles im Dunst. Das Burj al Arab, Luftlinie knapp 14 Kilometer entfernt, kann ich kaum noch erkennen. Der Anfang der Wüste vermischt sich mit dem Himmel und auch das Blau des Persischen Golfs endet irgendwo im trüben Staub. Ich bleibe eine knappe Stunde oben, beobachte die anderen Gäste beim Selfies-Knipsen und dem dazugehörigen Posieren: Daumen hoch, das Victory-Zeichen, Duckface und der Kussmund. Irgendwie gehört das zu Dubai dazu.
Am Fuß des Burj Khalifas geht das Fotografieren weiter. Vor allem bei der Fontänen-Show, die selbst bei dieser Hitze die Menschenmassen anlockt. Tausende versammeln sich rund um den Burj Khalifa Lake, um dem abendlichen Spektakel beizuwohnen. Teils erklingt dazu arabische Musik, einmal auch Michael Jackson, immer neu, immer anders sind die Choreografien der Wasserdüsen, die teilweise über 100 Meter in den Himmel schießen. Alleine für diesen Anblick lohnt sich eine Reise nach Dubai. Ich nippe einen Schluck aus einem gerade noch kühlen Malzbier mit Ananas-Aroma und beschließe, mich auf den langen Rückweg zum Hotel jenseits des Creek zu machen. Wieder durch die Mall, lange Wege bis zur Metrostation, dann noch eine knapp halbstündige Fahrt mit selbiger - Dubai ist groß und vielfältig.
Und genau dies zeigt sich auch bei den Menschen, die einem hier begegnen. Die meisten von ihnen sind Zuwanderer, Touristen und Gastarbeiter - richtige "echte" Emiratis sind schon lange in der Minderheit. Entsprechend gibt es in den Emiraten auch Kirchen, Synagogen und Gebetsräume für Hindus und Buddhisten. Wenn jemand arm ist, lässt er es sich nicht anmerken. In Geschäften sehe ich Frauen und Männer gleichberechtigt arbeiten. Kriminalität ist kaum vorhanden - vielleicht auch den zu erwartenden Strafen geschuldet. Und in der Jumeirah Moschee, ein paar Tage nach dem Besuch von Bastakiya. treffe ich auf freundliche Muslime, die offen auf Besucher zugehen, egal welcher Religion. Eine Engländerin, einst katholisch erzogen, nun zum Islam konvertiert, erzählt mir von ihrem Glaubenswechsel, den sie als "Upgrade" bezeichnet, erläutert freudig die "Fünf Säulen" des Islam und zeigt sich selbst mehr als unglücklich darüber, was der IS und andere Extremisten verursachen. In Dubai jedoch fühle sie sich sicherer als in London. Zudem, so fügt sie an, bevorzugen auch in den Emiraten die Menschen Liebe, Bildung, Essen, Trinken und Glücklichsein. Und vielleicht noch einen Ferrari in der Garage.
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