Ein Touristenmagnet im Winterschlaf: Unterwegs in Rothenburg ob der Tauber
08.02.2018 19:26
Es ist schon dunkel, als ich wieder die Altstadt von Rothenburg ob der Tauber betrete - durchs mächtige Galgentor durch, mit dem Stadtplan in der Hand. Der Wirt vom Gasthaus hat mir kurz eingezeichnet, wo ich anfangs am Besten hinlaufe, um mir das historische Städtchen anzuschauen. Mein letzter Besuch hier ist gut viereinhalb Jahre her, aber viel verändert hat sich nicht. Außer, dass um diese Jahreszeit kaum was los ist. Mitte Januar, viele Geschäfte haben Winterpause und viele Menschen offenbar keine Lust, genau in diesem Monat hier Urlaub zu machen. Zwar wirken die Auslagen und Gebäudefronten auch jetzt so, wie man sich ein typisches deutsches Dorf vor 60 Jahren vorstellt: irgendwie kitschig, bunt und einladend. Doch diese Stadt, die eigentlich auf Tourismus aus aller Welt getrimmt ist, ist offensichtlich in den Winterschlaf gefallen. Niemand schaut sich die japanisch-sprachige Karte vor dem Sushi-Restaurant an, bei den geöffneten Gaststätten sind viele Tische leer - und auch auf der Straße ist kaum noch jemand unterwegs. An der Uhrzeit kann es nicht liegen, ist ja noch nicht mal 18 Uhr.
Weihnachten ist zwar erst kurz vorbei, aber ich gebe mir trotzdem ein kleines bisschen festliche Dröhnung und gehe in das Weihnachtsgeschäft von Käthe Wohlfahrt. Christbaumkugeln, Nippesfiguren, schneebedeckte Landschaften und Kuckucksuhren überall. Und Touristen aus aller Herren Länder, die den Kitsch auch noch kaufen, obwohl das nächste Fest erst in elf Monaten ansteht sind. Die Verkäuferinnen sind offensichtlich abgestumpft, eine pfeift sogar die Weihnachtslieder aus dem Lautsprecher mit. Kurz überlege ich, ob ich mir das Weihnachtsmuseum antun will, entscheide mich aber aus dem Wetter geschuldeter Lustlosigkeit dagegen. Lieber mache ich draußen noch ein Foto mit dem Riesen-Nussknacker und gehe weiter, nochmal zum Marktplatz, wo sich eine große Gruppe Asiaten versammelt hat, mit Kameras im Anschlag. Endlich Touristen, endlich Trubel, endlich sehe ich das, was ich sonst bei Besichtigungen meide, wie der Teufel das Weihwasser: Ansammlungen von knipsenden Menschen. Aber an diesem Tag hat dieses Schauspiel etwas beruhigendes, gar tröstendes. Denn es zeigt, dass auch Rothenburg ob der Tauber im Winterschlaf manchmal ein bisschen wach wird, atmet und lebt.
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