Ghana - Von versuchter Entwicklungshilfe und einsamen Krokodilen
10.06.2014 14:53Endlos weite Sandstrände, tiefster Dschungel, alte Sklavenfestungen - und ein einsames Krokodil in einem winzigen Teich. Nur einige Assoziationen, die ich mit einer Reise nach Ghana verbinde. Ein weiteres Erinnerungsstück war der Versuch, eine gewisse Form von Entwicklungshilfe zu leisten. Ich krame den alten Zeitungsartikel von 2005 heraus, den ich geschrieben hatte, nachdem ich mit zwei Freunden zu Besuch in dem afrikanischen Land war, beim Partnerverein von unserem CVJM in Nierstein. Der Artikel ist überschrieben mit dem Titel "Straßen und Strom machen Fortschritte" - doch das war eigentlich nur eine Nebensächlichkeit.
Unsere Tour startete auf dem Hostel-Gelände des YMCA-Nationalverbandes in Accra. Dort hatten wir die erste Nacht unserer Ankunft verbracht. Mit einem gemieteten Kleinbus, Tro-Tro genannt, ging es die rund 160 Kilometer nach Hlefi, einem wirklich kleinen Kaff im Osten des Landes, abseits der großen Zivilisation, an einer ziemlich demolierten Straße gelegen, die einst geteert gewesen sein soll. Drei Weiße in Hlefi, so etwas bekamen die Bürger nicht oft zu sehen. Da niemand vor Ort genau wusste, wann wir ankommen sollten, dauerte es ein paar Minuten, bis wir von Paul und Ephraim in Empfang genommen werden konnten. Die beiden waren schon einmal in Deutschland zu Besuch gewesen und nun unsere Ansprechpartner vor Ort. Internet gab es in bei unserem Partnerverein in Hlefi noch nicht, Handys auch nicht, nur ein solarbetriebenes Telefon an der Hauptstraße, welches nur unregelmäßig funktionierte.
Der Empfang war herzlich, wir kamen direkt im neuen Haus von Michael unter, einem Verwandten. Die Wände waren kahl, die Toilette im Haus nicht benutzbar, dafür das Plumpsklo im Freien. Das Dusch- und Waschwasser für uns holten die Kinder der Familien mit Kanistern aus dem ein paar hundert Metern entfernten Brunnen, um es auf dem Dach in einen großen Tank zu füllen. Gekocht wurde draußen in einem kleinen Verschlag. Es war einfach, aber nett - und durchaus moderner als einige der niedrigen Lehmbauten mit Wellblech- oder Palmwedeldach, in denen manche Bürger Hlefis noch wohnten.
Es gab zwei offizielle Empfänge für uns. Der erste war im Privathaus des Paramount Chiefs, wie das höchste Oberhaupt des Dorfes genannt wird. Natürlich gab es dort direkt umfangreiche Reden und Palmweinschnaps für jeden, um den Staub der langen Anreise zu vertreiben, auch einen Schluck auf die Erde für die Ahnen. Etwas später dann, beim offiziellen Treffen mit der ganzen Dorfgemeinde am großen Platz an der Hauptstraße, überreichten wir unsere Gastgeschenke: Fußballtrikots, Schulmaterial und einen Niersteiner Wappenteller. Ich frage mich immer noch, ob der Wappenteller jemals an eine Wand gehängt wurde, oder einfach in einer Kiste verstaubte.
Wir merkten schnell: Die Uhren in Ghana ticken anders. Man nimmt sich viel Zeit für das Kochen, zum Essen, für die Beackerung der Felder. Wenn wir von einem Ausflug zurück kamen, waren wir noch topmotiviert, während sich unsere Gastgeber erstmal ein Nickerchen im Schatten gönnten. Auf den vielen Baustellen im Dorf herrschte eine ziemliche Gelassenheit. Müßiggang statt Tätigkeitsdrang. Abends schaute die Dorfgemeinschaft oft zusammen in einer Kneipe auf einem kleinen TV eine alberne Soap - jedenfalls solange der Strom nicht ausfiel. Und wenn er ausfiel, schmierte man eben den Techniker oder ging nach Hause.
Vor allem waren wir zu Gast in Hlefi, um zu klären, was mit dem Day-Care-Center und dem Kindergarten geschehen sollte, deren Bau und Betrieb unser Verein mit Spendengeldern Anfang der 90er maßgeblich mitfinanziert hatten. Durch neue staatliche Kindergärten und Schulen wurde mittlerweile allerdings nur noch ein Teil des Gebäudes genutzt, einige Räume gammelten schon länger vor sich hin. Unsere Gastgeber wollten daraus ein Gästehaus machen, vorwiegend für Beerdigungen. Doch das dies nicht so einfach ging, stellten wir schon bei unserem Besuch sowie in den Monaten (und Jahren) danach fest. Es gab keinen guten Businessplan, mangelhafte Kalkulationen, Unstimmigkeiten zwischen den YMCA-Mitgliedern - und somit auch viel Zweifel von unserer Seite. Sollten wir überhaupt noch Spendengelder nach Ghana senden, wenn wir nicht wüssten, wozu diese verwendet werden? Die offiziellen Gespräche verliefen eh immer im Kreis, auch übergeordnete Stellen taten sich schwer.
Nicht zuletzt wurde mir auch nie ganz deutlich, wie die YMCA-Arbeit in Hlefi gestaltet war. Es gab zumindest keine wirklich festen Gruppen, wie Jungscharen oder Volleyballteams bei uns in Deutschland. Und wie war die Zusammenarbeit mit der Kirche vor Ort? Unser Besuch warf bei mir viele Fragen auf. Waren unsere Ansprechpartner wirklich von der Partnerschaft überzeugt oder eher vorwiegend auf Spendengelder aus? Oder hofften sie auf den "Jackpot" - eine Einladung nach Deutschland? Sicher war nur: In der kurzen Zeit, die wir vor Ort waren, konnten wir voneinander lernen, die gegenseitigen Verhaltensweisen erleben, Verständnis füreinander aufbauen. Und eben eine gute Zeit haben, abseits der deprimierenden offiziellen Gespräche.
Das taten wir dann auch. Wir machten Ausflüge zum Wli-Wasserfall an der Grenze zu Togo, zur örtlichen Hinterhof-Schnapsbrennerei und zu einem Monkey-Sanctuary. Wir besuchten natürlich das Day-Care-Center, die Gottesdienste, sahen das einsame Krokodil im winzigen Teich in der Nähe des Dorfes, trafen den Landrat der nächstgrößeren Stadt Ho. Und natürlich gab es Feiern mit Tanz, Musik und Gesang. Nach einer guten Woche verabschiedeten wir uns, fuhren zurück nach Accra und reisten dann noch ein paar Tage an der Küste entlang, nach Cape Coast, zum Kakum-Nationalpark und zur einstigen Sklavenburg von Elmina. Es war dann einfach nur ein abenteuerlicher Urlaub, mit Strandfeeling am Schluss.
Im Nachhinein kann ich nicht sagen, ob unser Besuch von großem Nutzen für die Partnerschaft war. Ich war zumindest ein wenig enttäuscht darüber, dass es in den nächsten Jahren kein großes Fortkommen in Sachen Kindergarten gab, auch wenn weitere Gegenbesuche und natürlich Gespräche stattfanden. Es war vielleicht ein kleines Stück Entwicklungshilfe von unserer Seite, um auf die Notwendigkeit von guter Planung aufmerksam zu machen. Ob diese ankam ... ich weiß es nicht. Wir zeigten vielleicht auch zu wenig Enthusiasmus für die Ideen unserer Freunde. Schlussendlich war unser Besuch eher ein Abenteuerurlaub - und aus partnerschaftlicher Sicht kein Scheitern, aber auch kein Erfolg. Es war und ist ein voneinander Lernen. Was wir daraus machen, steht auf einem anderen Papier.
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