In der Wüste Thar.
Der Morgen dämmerte. Ich wachte auf und ging aus meinem Zelt raus, es war vielleicht halb sieben, die anderen schliefen noch. Ein paar der Dromedare grasten ganz in der Nähe. Es waren vielleicht ein Dutzend der Tiere, die sich mit ihrer braunen Färbung im trüben Licht nur kaum von der Farbe des Sandes hier in der Wüste Thar bei Bikaner unterschieden. Die Sonne hatte sich gerade erst aufgemacht, die diesigen Wolken am Horizont nieder zu ringen. Gemütlich grasten die Dromedare vor sich hin, aßen von dem spärlichen Grün und wedelten mit ihren Schwänzen die penetranten Fliegen weg. Ihre Kiefer bewegten sich gleichmäßig wie ein Mahlwerk. Ab und an blickten sie auf, ihre langen Wimpern klimperten wie bei Daniela Katzenberger.
Ich saß einfach da und schaute sie an, die majestätischen Tiere mit ihrer stoischen, ruhigen Art. Auch wenn sie mit Ruten geschlagen und mit Tritten im Lauf gehalten werden, wanken die arabischen Kamele fast unbeirrt als Wüstenschiffe durch die Dünen.
Wir waren am Vorabend gestartet, eine Gruppe von Touristen, die mit einigen Einheimischen auf Dromedaren in die Wüste wollten. Der Hinweg begann wenig romantisch durch ein kleines dreckiges Kaff, in dem der Müll auf der Straße lag und der Abwasserduft die Nebenhöhlen reizte. Erst als das Dorf weit hinter uns lag, konnte ich tief einatmen und den trockenen Geruch der doch erstaunlich grünen Wüste einatmen.
Ich plauderte ein wenig mit meinem Dromedartreiber Omprakash, der mit einfachen Schlappen nebenher trottete und darauf achtete, dass sowohl mein Dromedar Ranid und ihre noch junge Tochter Raju nicht den Anschluss verloren. Ich hatte das einzige "Doppelpack" der Herde ergattert - und Raju musste erst noch an das gleichmäßige Laufen gewöhnt werden. Sie war mit vielleicht einem Meter Spielraum mit ihrem Hals an den ihrer Mutter gebunden und musste so die ganze Zeit mir ihr Schritt halten. Wenn sie nach links abdriftete, zog Omprakash sie wieder auf Spur, wenn Raju stehen blieb, gab es einen Klaps. Trotzdem: Nach gut zwei Stunden hatte uns der Rest der Gruppe um einen guten Kilometer abgehängt. Aber unser Lagerplatz war nicht allzu weit, irgendwo hinter einer nächsten Dünen. Mein Hintern tat auf dem provisorischen Sattel aus Wolldecken auch schon ordentlich weh.
Kaum angekommen, bauten wir die Zelte auf, rollten die Schlafsäcke aus und machten uns mit den Indern ans Kochen. Sandiger Reis, sandiges Curry, Tee, Wasser und Bier. Dazu die Romantik eines prasselnden Lagerfeuers und eine kurze Showeinlage mit tanzenden und musizierenden Dromedartreibern. Die Tiere standen derweil unangebunden etwas abseits und ließen sich natürlich von nichts aus der Ruhe bringen. Auch nicht, als ich mich in Ermangelung eines Klos und mit rumorenden Eingeweiden in ihre Nähe begeben musste.
Auch am Morgen standen Ranid und Raju friedlich unweit der Zelte. Nach dem Frühstück und dem Zusammenräumen konnte unsere Reise weitergehen. Ranid ging auf Befehl von Omprakash in die Knie, ich stieg auf, Ranid richtete sich wieder auf, erst drückten sich ihre Vorderbeine durch, dann die Hinterläufe. Festhalten ist bei dieser Prozedur immer angesagt. Raju musste wieder an die Leine, da half auch ein halbherziges Grunzen von ihr nicht. Und kaum war unsere Gruppe wieder gestartet, immer weiter die Dünen entlang, da bildeten wir auch schon wieder die Nachhut. Mein Hintern schmerzte weiter, Ranid ging stoisch vorwärts und Raju blickte mit ihren langen Wimpern jedem kleinen Vogel hinterher - vielleicht spürte sie, dass sie niemals diese grenzenlose Freiheit erlangen wird.
Besucht im Oktober 2012.
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