Sumatra: Auf der Spur von Orang-Utans im Gunung-Leuser-Park
18.03.2018 16:10
Das Jungtier klettert aufmüpfig auf einem Ast herum, lässt erst eine Frucht uns vor die Füße knallen, bevor es sich an einem Baum weiter nach oben hangelt und dabei scheinbar provozierend aus seinem Hintern eine stattliche Wurst presst. Mutter Orang-Utan schaut bei allem zu, sie sitzt erst irgendwo ganz oben im Baumwipfel, hangelt sich dann weiter runter, tappst über den Boden zu der Frucht, die sie behende aufsammelt und schließlich zum Essen aufreisst. Ich schaue dem Spektakel fasziniert zu, mache dutzende Fotos. Mein Guide, Jungle Edie, schickt mich gelegentlich aus dem Weg, den die Mutter vorraussichtlich nehmen wird, und sagt schließlich: "Wir müssen sie verjagen."
Was? Verjagen - wieso das denn? "Sie sind zu nahe am Ort. Die Mutter ist schon älter und noch von damals, als es die Fütterungsstation gab, daran gewöhnt, Essbares hier zu bekommen." Aha, also keine Boswilligkeit, sondern eine Notwendigkeit. Denn der richtige Dschungel ist nicht weit, das Jungtier muss lernen, dort auch alleine irgendwann klar zu kommen. Schließlich ist der Kontakt mit Menschen häufig zum Nachteil der Menschenaffen - noch immer werden Tiere gefangen und als Haustiere gehalten, mitunter in Kleidung gesteckt oder missbraucht. Nur wenige Kilometer entfernt beginnen zudem riesige Ölpalm-Plantagen mit unzähligen, in Reih und Glied stehenden Bäumen. Ein surrealer Anblick - der zwar Wohlstand für viele Indonesier bedeutet, aber kein angenehmer Wohnort für Orang-Utan und Co. ist.
Der Guide hat mittlerweile per Handy die Ranger informiert, diese werden später mit lauten Knallgeräuschen die beiden Orang-Utans in Richtung Gunung-Leuser-Nationalpark treiben. Dort sollen noch etwa 7000 der Menschenaffen leben. Und wegen diesen bin ich hier, auf der indonesischen Insel Sumatra. Was die Gorillas für Uganda und Ruanda sind, sind die Orang-Utans für Indonesien - ein Höhepunkt für Touristen und ein wichtiges Einkommen für die Einheimischen. Ohne letzteres wäre hier offensihtlich auch alles voller Ölpalmen. Es ist nur ein kleines Stück zu wandern, von der Lodge im Ort Bukit Lawang, bis man an das Eingangsportal vom Gulung-Neuser-Park kommt. Und dort ist es wie in jedem anderen Urwald auch, sei es in Afrika oder in Südamerika: schwülheiß, riesige Bäume mit Lianen, allerlei Gekrächze und Gezirpe, teils matschige Wege und viele Möglichkeiten, um auszurutschen und sich von oben bis unten einzusauen. Und mit Glück stößt man im grünen Dickicht nicht nur auf Orang-Utans, sondern auch auf Gibbons und andere Affenarten, vielleicht sogar auf Bären, aber von so einem sehe ich dann nur die Kratzspuren an einem Baum, von dem er das Honignest heruntergerissen hat.
Orang-Utans sind, sofern sie nicht gerade ein Kind oder ein Techtelmechtel haben, Einzelgänger, die sich jeden Abend ein neues Nest in irgendeinem Baum basteln. Deswegen kann man sich auch nicht drauf verlassen, welche zu finden. Doch natürlich hat mein Guide mitgedacht und Bananan parat, dank denen sich im Laufe der nächsten Stunden ein paar Exemplare im wahrsten Sinne des Wortes von oben dazu herablassen, sich mit uns auseinanderzusetzen. Einer davon recht träge und zutraulich, ein anderer hechtet erst flott durch die Bäume, bevor er es sich wie King Louie in einer Astgabel bequem macht, um seinen Wanst scheinbar cool im Sonnenschein zu wärmen.
Sie in Freiheit zu erleben, ist ein grandioses Gefühl. Erst sieht man sie nicht im wilden Dickicht, dann kruschelt es im Geäst und plötzlich hängt da ein anderhalbmeter großer, hellbrauner Brocken vor mir, der mich aus kleinen Kulleraugen neugierig anblickt. Ich weiß, er könnte mich jederzeit umhauen - Orang-Utans sind extrem stark -, aber in diesem Moment wirkt er wie ein kleines Kind, das statt nach dem Spielzeugauto nach der Banane sucht. Knuddeln oder Streicheln sollte man trotzdem lassen, denn nicht nur menschliche Krankheiten, sondern auch Mückenspray sind wenig zuträglich für das Wohlergehen der Dchungelbewohner.
Nach einigen Stunden habe ich fünf Orang-Utans gesehen. Ich bin durchgeschwitzt, aber nach dem Rückweg zufrieden. Sich vorzustellen, dass hier noch 7000 weitere von ihnen einen sicheren Platz haben, stimmt hoffnungsvoll. Verwandschaft verpflichtet - zum Schutz, vielleicht sogar zu einem Besuch.
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