Bangkok ist gewaltig. Ein Ameisenhaufen voller Häuser, Straßen und Menschen. Sie leben zwischen Bretterverschlägen, in Bruchbuden, in Klöstern, Wolkenkratzern und Luxus-Penthäusern. Und jeder, der dich in Bangkok anlabert, will dein Geld. Überall Betrüger, überall Menschen, die dich ausnehmen wollen. Sagt man jedenfalls - und bekommt gleich die häufigsten Betrugsmaschen ("Scams") aufgetischt. Diese habe ich vor meiner Ankunft in der Hauptstadt Thailands, dem sogenannten "Land des Lächelns" häufiger gehört und gesehen. Doch die Erfahrung vor Ort zeigt: Kaum jemand will mein Geld. Denn so vielfältig wie die Menschen in Bangkok sind auch deren Absichten. Auf einige positive Beispiele bin ich getroffen.
Der freundliche Mönch: Ich bin gerade den unfassbar riesigen Besuchermassen im Großen Palast aus dem Weg gegangen und ein paar hundert Meter weiter durch das Tor zum Wat Mahathat Tempel geschlendert. Hier ist fast nix los, ein paar Frauen sitzen an einem Tisch vor den langen Reihen voller goldener Buddafiguren und essen. Ich laufe um die Gebäude auf dem zentralen Platz herum, ziehe dann meine Schuhe aus und gehe in die Halle mit dem großen goldenen Buddha. Am hintersten Ende sitzen zwei Frauen und Beten. Kurz setze ich mich, kühle mich vor einem Ventilator ab. Draußen dann wieder ziehe ich meine Schuhe an, als mich plötzlich ein Mönch anspricht. "I was watching your shoes. Always be careful, sometimes people here want to steal your things", sagt er. Ich bedanke mich höflich mit vor der Brust gefalteten Händen. Er lächelt und geht seines Weges.
Das freundliche Paar: Im Lumpini Park chille ich an einem der Seen. Der Park ist eine grüne Oase in der chaotischen Stadt. Ein junges Pärchen wirft Futter zu den Tauben und Reihern, die sich in Scharen vor ihnen am Seeufer versammelt haben. Auch eine große Echse lugt neugierig aus dem Wasser heraus. Plötzlich werde ich angesprochen. Der männliche Part des Pärchens fragt mich, wo ich herkomme. Ich sage "Germany" - dann lächelt er und bietet mir ein bisschen von dem Futter an, damit ich auch die Türe füttern soll. "It brings you luck", ergänzt er. Ich nehme dankend an - und werfe ein paar Krümel zu den Tieren hin.
Die Selfie-Mönche: Am Golden Mount treffe ich auf eine ganze Gruppe Mönche. Sie machen einen Ausflug hierher - und benehmen sich noch touristischer, als viele Langnasen. Alles wird mit dem Handy gefilmt, grinsend hauen sie mit den Knüppeln auf die großen Gongs, machen Selfies und Gruppenfotos, knien sich vor den Buddhafiguren hin und lassen sich dabei knipsen. Sie verbreiten richtig gute Laune und scherzen miteinander. In einer deutschen Kirche hätte man solche Mönche wohl längst des Hauses verwiesen. Doch hier sorgen sie für Erheiterung. Einer kommt zu mir, begrüßt mich freundlich und fragt in brüchigem Englisch, ob ich ihn mit seinem Handy fotografieren kann - klaro, mach ich gerne. So kann man Lebensfreude teilen.
Die nette Verkäuferin: Ich klappere die riesigen Malls von Bangkok ab. Kilometer um Kilometer, Stunde um Stunde, Etage um Etage. Fast einen ganzen Tag laufe ich hier durch, von einer in die nächste, alle im Bereich Ratchadamri Road und Phetchaburi Road. An Rolls-Royce-Schaufenstern vorbei, unzähligen Kaffeeketten, riesigen Buchläden, ausladenden Klamottengeschäften und Shops, deren Sinnhaftigkeit mir Rätsel aufgibt. Unzählige Male werde ich angehauen: "Wanna buy this/that/something?", "What are you looking for?" und "Cheap price, best price, I give you discount." Ich begegne Britney Spears (als Wachsfigur), einem irgendwie bekannten Schauspieler auf PR-Tour, den dutzende jugendliche Mädels anschmachten, grimmig schauenden Security-Menschen und Verkäufern, die über ihrer Ware eingeschlafen sind. An einem Stand versuche ich mein Glück und handele, ein Souvenir soll es sein. Die Verkäuferin ist freundlich, zieht mich durch lange Reihen an Nippes, bis ich das passende gefunden habe, eine Mudra-Holzhand. Ich schaue nach dem Preisschild drauf, dann sie an und nenne einen viel niedrigeren Preis, einen, den ich für deutlich zu gering halte, da ich ein ähnliches Teil schon in anderen Läden gesehen hatte. Handeln muss ja sein. Doch sie lacht, schaut mich an - und nennt dann noch einen niedrigeren Preis. "Because you are my first customer today", sagt sie. Soll auch Glück bringen. Ich glaube ihr einfach mal.
Die zuvorkommende Köchin: Es ist Abend und ich schlendere in Chinatown von Essensstand zu Essensstand. Enten, Haifischflossensuppe, Chicken Curry - und alles, was nicht bei Drei auf dem Baum ist, wird hier angeboten. Viele Einheimische sind hier, aber natürlich auch Weltenbummler. Vor einem etwas abgelegenen Stand mit Fischbällchen-Suppe bleibe ich stehen. Sieht lecker aus. Die Köchin schaut zu mir auf. Ich deute auf diverse Bällchen und den Suppentopf, denn mein Englisch führt bei ihr nur zu Stirnrunzeln. Sie deutet auf den Hocker neben ihrem Stand und den kleinen Tisch, der davor ist. Unbequem, aber zweckmäßig. Wenige Augenblicke später steht ein dampfender Pott vor mir, keine Ahnung, mit welchen Zutaten genau, aber das macht ja auch den Reiz des thailändischen Essens aus. Nach zwei Löffeln rinnt der Schweiß - vor Schärfe. Und nach drei Löffeln zaubert die Köchin einen kalten, süßen Grünen Tee hervor und reicht ihn rüber. Ich bin wohl nicht der erste Gast, der die Schärfe unterschätzt. Beim Bezahlen zeigt sie auf ein Schild, welches den Preis der Suppe anzeigt - der Tee geht aufs Haus. Aber ein Trinkgeld nimmt sie schmunzelnd an.
Der hilfsbereite Schaffner: Ich habe mir in der Hua Lamphong Train Station gerade eine Zugfahrkarte nach Ayutthaya gekauft, sitze am Bahngleis und warte auf den Bummelzug, der mich in knapp zwei Stunden in die berühmte Tempelstadt bringen soll. Auf dem Bahnsteig ist einiges los. Backpacker sitzen da und blättern in zerfledderten Reiseführern, einheimische Pendler starren auf ihre Handys. Wie so oft habe ich mir nichts zum Zeitvertreib mitgenommen, da ich mir lieber die Menschen um mich herum anschaue. Als der Zug einfährt, dränge ich mich mit den anderen Fahrgästen in Richtung Türen, ein wenig wird gedrängt und geschubst. An einer Tür steht ein Schaffner und hilft den älteren Personen hinein. Als sich der Zug in Bewegung setzt, haben alle einen Sitzplatz gefunden - doch schon beim ersten Zwischenstopp beginnt das Gedränge rund um die Plätze. Ich sehe den Schaffner wieder, er bahnt sich grüßend und entschuldigend seinen Weg durch die Massen und knipst die Tickets ab. Als er eine ältere Dame stehen sieht, verscheucht er einen Jugendlichen von einem Sitzplatz, damit diese sich setzen kann. Den Jugendlichen schickt er neben mich. Der Schaffner entschuldigt sich wieder. Und so geht das Spiel auch an den nächsten Haltestellen weiter - ein Schaffner, der höflich und bestimmt für Ordnung sorgt und den Älteren im Zug dann auch noch beim Ein- und Aussteigen hilft.
Mehr über Thailand:
Anstehen im Paradies: Keine geheime Mission am James-Bond-Felsen
Der einsame Buddha und ich: Unterwegs in Sukhothai
-----
Nix verpassen? Lust zu einem Kommentar? Follow me here:
Facebook
Instagram
Twitter