Obskure Steinkreise, betende Marien, prächtige Dürre: In der Atacama-Wüste in Chile

12.01.2018 16:23

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In der Atacama-Wüste, Chile. Foto: Wolfgang Bürkle

Steinkreise erinnern mich immer ein wenig an Science-Fiction- oder Fantasy-Filme. Stargate etwa, Outlander oder Fluch der Karibik. Hier, auf einem Berg nahe der Ruinenstadt Pukara de Quitor, wirkt das runde Steingebilde mit dem Altar im Zentrum wie ein Ritualplatz, als ob hier einst Opferungen oder kultische Zeremonien stattfanden. Die Kulisse dafür wäre perfekt: Auf einer Bergspitze gelegen, mitten in der kargen Atacama-Wüste im Nordosten von Chile, mit Blick auf Vulkane, ein Flußbett und eine kleine Oase. Historische Details zu diesem Bauwerk sind allerdings Fehlanzeige - da der Steinkreis hier oben erst jüngst wieder errichtet wurde, finde ich nichts über seinen Hintergrund heraus. Er liegt nahe der Ruinenstadt Pukara de Quitor, die vor rund 900 Jahren von Atacemenos gebaut wurde. Die Spanier eroberten die Stadt, enthaupteten die Anführer und nahmen das Land in Besitz. Von der Stadt sind heute noch die Überreste der Gebäude am Berghang übrig. Der Steinkreis und ein weiteres Denkmal etwas weiter die Bergkette hinauf (mit einem großen christlichen Kreuz ...) wirken eher wie kreative Ergänzungen und nicht wie Gedenkplätze. 

In der Atacama-Wüste, Chile. Foto: Wolfgang Bürkle
 
Doch was soll das Grübeln über die oft brutale und verschwimmende Vergangenheit? Enjoy the view - bizarre, faltige Steinformationen, weit oben kreisende Vögel und die Stille, die nur von kleinen Windstößen unterbrochen wird, laden dazu ein, an diesem obskuren Ort einfach zu verharren und den Kopf frei zu bekommen. Denn vieles, was man in der Atacama erlebt, ist anders und mitunter verwirrend.
 
In der Atacama-Wüste, Chile. Foto: Wolfgang Bürkle

Erst verbrennt mich die Sonne fast, dann frieren mir halber die Füße ab - die Atacama-Wüste verwundert mich in vielerlei Hinsicht. Denn von einer Wüste erwarte ich, dass sie trocken, heiß und sandig oder zumindest staubig ist. Zugegeben, sie ist die trockenste Wüste der Welt, sie ist staubig - aber sie hat Überraschendes zu bieten: Flamingos in riesigen Lagunen, hektarweise Salzablagerungen, Mumien, Hightech-Teleskop-Observatorien für die Sternbeobachtung (das ALMA), oder auch Temperaturunterschiede von über 30 Grad an einem Tag. Als ich am Rande der Wüste beim El-Tatio-Geysirfeld stehe, sind es Minus 7 Grad Celsius. Arschkälte auf 4300 Metern Höhe. Nur wenige Stunden vorher, im Valle de la Luna, waren es noch fast 30 Grad. Das Geysirfeld hoch oben in den Anden ist auch so etwas Wüsten-untypisches. Alles ringsherum ist eher kahl und unwirtlich - doch an diesem Plätzchen sprudelt das Wasser in riesigen Fontänen aus der Erde, als handele es sich um ein Spaßbad. Als sich die Sonne traut, das Feld ein wenig freundlicher zu beleuchten, tauchen ein paar putzige Andenmöwen auf und wollen mir noch mein Frühstücksbrot klauen. Möwen in dieser Höhe? Bei dieser Kälte? In der Atacama kein Problem. 

In der Atacama-Wüste, Chile. Foto: Wolfgang Bürkle
 
Ausgangspunkt für alle Abenteuer in der Wüste ist die Stadt San Pedro de Atacama - hier wimmelt es von Touristen und Shoppingläden, überall gibt es Touranbieter, Radverleihe, Gaststätten und Restaurants. Am Plaza de Armas genießt man tagsüber ein wenig Ruhe unter den Pfefferbäumen, da fast alle Touristen auf Tour sind. Dort kann man Kindern beim Kicken zuschauen oder ein Käffchen trinken, dazu nebenan die urige Dorfkirche besuchen. Abends, wenn die Sonne nicht mehr so knallt, ist die Hauptflanierstraße prall gefüllt, Mariachis spielen in den Kneipen und die Shops quellen über vor jungen Backpackern und älteren Travellern in Funktionskleidung. Der trockene Staub klebt mir noch zu sehr in der Nase und in den Schuhen, um sich hier wohl zu fühlen. Die Gemeinde wirkt wie eine Museumsstadt, extra kitschig für die Besucher, aber genauso harmlos und betriebsam wie ein Einkaufszentrum. 
 
In der Atacama-Wüste, Chile. Foto: Wolfgang Bürkle

Höhepunkt eines Besuchs der Atacama-Wüste ist für mich (und viele andere) ohne Zweifel das Valle de la Luna - riesige Dünen treffen auf verwitterte Gesteinsformationen, auf Salz und Geröll. Dutzende Menschen schauen sich hier die "Tres Marias" an - eine Gesteinsformation, die wie drei betende Marien aussehen soll. Nebendran könnte man aber auch einen Dinosaurier in den aufragenden Steinbrocken hinein interpretieren. Das Valle de la Luna erinnert aber nur in manchen Bereichen an den namensgebenden Mond - vielmehr reit sich hier ein Highlight an das nächste. Erst kommt noch das Amphitheater (ein riesiger, halbrunder, abgehakt wirkender Felsklotz), dann ein grandioser Blick auf den Vulkan Licancabur, schließlich die Duna Mayor, eine riesige Sanddüne, auf deren Grat grüppchenweise die Besucher den Ausblick genießen. Vor allem kurz vor dem Sonnenuntergang zeigen die abstrakten Stein-, Sand- und Salzformationen des Tals ihre beeindruckenden und mit dem Licht changierenden Eigenheiten. Wer ein einsames Plätzchen findet, kann hier die geradezu magische Stimmung wahrnehmen, die die Schönheit des Tals ausmacht.  
 
In der Atacama-Wüste, Chile. Foto: Wolfgang Bürkle
 
Knapp vier Tage verbringe ich in der Atacama, lasse mich vom Abwechslungsreichtum der trockensten Wüste einnehmen, erlebe putzige Vikunjas, große Guanakos und neugierige Esel, fotografiere kleine Eidechsen und rosa Flamingos, sehe einsame Gräber und große Friedhöfe. Mondlandschaften treffen auf Sanddünen, Geröll auf Salzkristalle, Wasser auf dürre Bäumchen und Kirchen auf Inka-Überreste. Neues und Erstaunliches lässt sich immer wieder entdecken. Und wer denkt, diese südamerikanische Wüste sei monoton und leer, hat sie nicht mit eigenen Augen gesehen.
 
In der Atacama-Wüste, Chile. Foto: Wolfgang Bürkle
 
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