Peru - Tauben füttern in Arequipa
01.07.2014 14:25Tausende Tauben tummeln sich direkt vor meinen Füßen. Sie stolzieren nebeneinander, jagen hintereinander, flattern übereinander. Ein paar haben es sich auch auf dem Kopf der Tuturutu-Brunnenstatue in der Mitte des Plaza de Armas in Arequipa bequem gemacht und observieren scheinbar genauso die vor ihnen liegende Szenerie, wie die meisten Menschen, die gerade rund um den Platz sitzen, stehen und laufen. Es ist Montagnachmittag, also sind noch nicht viele Schüler da, dafür aber Familien und vor allem Senioren. Einer hat sich gerade neben mich gesetzt, mit Stock, Hut, Sonnenbrille und dunklem Anzug. "Buenas tardes", murmelt er leise vor sich hin, ich ebensolches zurück. Dann sagt er noch irgendwas mit "melancolia", ich nicke nur und schlürfe leise weiter an meinem Cappuccino, den ich vom Café um die Ecke mitgebracht habe.
Das Sitzen auf den Bänken am Plaza de Armas ist unterhaltsam. Denn hier flaniert im Laufe des Tages wohl die halbe Stadt entlang. Besonders die Kinder freuen sich, wenn sie ein paar Körner den unzähligen Tauben hinwerfen und plötzlich eine ganze Vogelschar aufgeregt auf sie zuflattert. Besonders mutige Kinder halten die Körner hoch in der Hand, in der Hoffnung, dass eine der Tauben auf ihren Arm hüpft und nach dem begehrten Futter pickt. Amüsierte Eltern packen dann das Smartphone aus und knipsen drauflos. Als dem kleinen Mädchen eine Bank weiter das mitgebracht Futter ausgeht, steigen erst ein paar Tränen in ihre Augen, dann heult sie öffentlichkeitswirksam drauf los, aber nur solang, bis die Mutter ihr ein Eis von der Straßenverkäuferin besorgt.
Aber auch die Erwachsenen sind gerne hier. Der Schuhputzer liest in einer freien Minute Zeitung, das Liebespaar hält Händchen und schaut sich in die Augen, eine einheimische Familie posiert für einen der vielen Fotografen, die hier herumwuseln. Hier trifft sich jeder der sehen und gesehen werden will. Künstler stellen sich an den Rand unter die Bäume, holen Papier oder Leinwand und Stifte heraus und versuchen, die Magie des Platzes festzuhalten. Auf die Frage, wieso die Peruaner im Gegensatz zu den Deutschen so gerne die Tauben füttern, kommt die Antwort: "Weil wir ein besseres Immunsystem haben als ihr!"
Nach einer guten halben Stunde muss ich gehen. Aber nicht, weil ich dem Schauspiel überdrüssig bin, sondern weil Nasen und Augen jucken. Das ständige Flattern der Tauben lässt Federn umherfliegen, der ein oder andere zerzauste Vogel ist dem Tod näher als dem Leben, einer kauert sich schwer atmend unter meiner Bank. Ich stehe auf, sage zu dem alten Mann "Adios", er nickt, dann gehe ich durch den Schein der Abendsonne, der sich durch die Straßen zwängt in die Kathedrale. Denn die hat pünktlich um 17 Uhr ihre Türen geöffnet. Nicht zuletzt ist die ganze Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt worden.
Wenige Stunden später komme ich noch einmal zum Platz zurück: Die Kathedrale ist durch die Scheinwerfer hell erleuchtet. Aber mit den Abendstunden sind die Kinder und Senioren verschwunden. Ein paar dunkle Gestalten sitzen nun auf den Bänken, nur noch wenige Verkäufer bieten im Schein der Laternen, Kaugummi, Bonbons und Getränke von ihren kleinen Bauchläden an. Und es ist keine einzige Taube mehr da, kein pickender Vogel, keine Flügeln flattern mehr. Nur noch ein paar Federn weht der Wind über die Plaza de Armas.
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Besucht im Juni 2014.
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