Ruinen nach Zeiten der Cholera: Palio Pyli auf Kos
16.07.2022 11:44
Die Ziege schaut mich an. Etwas plötzlich bin ich in ihr Blickfeld geraten. Doch sie scheint zumindest nicht erschrocken: Langsam bewegt sich ihr Kiefer und kaut vor sich hin, eher ratlos; als Bedrohung nimmt sie mich offenbar nicht wahr. Die Ziege steht auf einem niedrigen Steinhügel, an dem ich gerade vorbeilaufen will. Es ist schattig, überall stehen riesige Bäume. Als ich mich langsam ein Stück weit nähere, hüpft die Ziege von dem Steinhügel runter und huscht ein paar Meter weiter zwischen andere Mauerreste, raus aus meiner Einflusszone, raus aus meinem Blickfeld. Schützende, aber bröckelnde Mauerrest gibt es hier genug, hinter denen sie sich verstecken kann.
Ich bin auf der griechischen Insel Kos, im Ruinendorf von Palio Pyli. Es liegt etwa in der Mitte der Insel, am Nordhang der kleinen Bergkette. Es mag nicht das populärste Ziel von Wanderern auf der Insel sein, aber es ist zumindest noch eines der abenteuerlichsten. Irgendwo im nirgendwo sozusagen, ein "Lost Place". So richtig Werbung dafür wird nicht gemacht, schließlich ist hier touristisch auch kaum etwas ausgebaut - und deutsche Behörden würden ob der Sicherung der Wege und Mauern schnell ein paar unüberwindbare Barrieren und Gefahrenschilder aufstellen. Aber wir sind ja hier in Griechenland, da drückt man eben ein Auge zu, solange nix passiert. Die Straße zu Palio Pyli windet sich zwischen einigen Feldern und Dörfern hoch, bis man auf einer Bergspitze die Reste der alten Burg zwischen Bäumen herausragen sieht. Ein paar Behelfsparkplätze an der Straße, dazwischen suppt der kümmerliche Rest eines Baches den Berg herunter. Steintreppen führen den Weg hoch, ein Schild weist auf Pyli hin. Hätte ich mich nicht zumindest ein wenig im Netz informiert, wüsste ich nicht, was nun kommt.
Die ursprüngliche Burg soll im 11. Jahrhundert von den Byzantinern auf der Bergspitze gebaut worden sein - damit ist sie eine der ältesten Festungen der Insel. Die Lage machte den Bau nur schwer zugänglich, aber sie war gegen feindliche Angriffe gut geschützt - und somit auch ein Zufluchtsort für viele Menschen in den häufigen Konflikten um die Insel. Die Siedlung entstand schließlich südlich unter der Burg, am Fuße der Bergspitze. Doch schließlich kam es zur Katastrophe: Um 1830 soll es einen Cholera-Ausbruch im Dorf gegeben haben. Die Bewohner flohen aus den verfluchten Gebäuden und siedelten sich ein paar Kilometer entfernt wieder an. Das alte Pyli verfiel - und erlebt nun wieder den Zulauf von Touristen, von Wanderern und Bikern.
Merkwürdige Sitten in Griechenland - Corfou Penguins Club
----
Nix verpassen? Lust zu einem Kommentar? Follow me here: