Patan. Bhaktapur. Kathmandu. Allein der Klang dieser drei Königsstädte wirkt wie Magie und lässt Erinnerungen von Tempeln, Mönchen und Gebetsmühlen vor meinem inneren Auge aufblitzen. Ich denke zurück an diesen Frühling im Jahr 2010, an ein paar Wochen in Nepal. An die beeindruckenden Städte im Kathmandu-Tal, an grandiose Landschaften rund um Pokhara, an einen Rundflug über den Himalaya, an Sadhus mit langen Bärten, die Bettelmönche, die etwas Geld für ein Foto wollten. An den Ausritt mit einem Elefanten im Chitwan-Nationalpark, auf der Suche nach Nashörnern, die sich scheu im Dickicht versteckten. Ich denke an den kleinen Jungen in Kathmandu zurück, der auch schon eine Mönchskutte trug und mit hüpfendem Schritt um die Stupa von Bodnath lief. Ich frage mich, ob er das Erdbeben im April 2015 überlebt hat.
Über 6.000 Tote, uralte Tempel, Schreine und Paläste zerstört, menschlich und kulturgeschichtlich eine Katastrophe. Kunstvolle Bauten, einfache Wohnhäuser und Läden liegen in Schutt und Asche. Kaum etwas auf den Fotos, die in den Tagen nach dem Erdbeben durch die Medien gehen, sieht so aus, wie ich es in Erinnerung habe. Nepal lebt vom Tourismus. Rund 800.000 Menschen besuchten laut der nepalesischen Regierung das Land im Jahr 2013, um die Welterbe-Stätten zu besichtigen, die Tempel und Nationalparks, um die majestätischen Gipfel des Himalaya-Gebirges zu begutachten, oder sogar den Mount Everest zu besteigen. Und nun? Mit dem Beben bricht der Tourismus zusammen. Reisewarnungen werden ausgesprochen, geplante Trips abgesagt, Devisen fehlen.
Was das Land nun braucht, ist Geld, um die Infrastruktur und zumindest einige der zerstörten Welterbe-Stätten zeitnah wieder aufzubauen, um den Tourismus wieder ins Rollen zu bringen. Damit viele Menschen wieder von den Affen des Swayambunath-Tempels belustigt werden. Damit man die wunderschönen Reisterrassen und wehenden Gebetsfahnen genießen kann. Um das intensive Erlebnis der Leichenverbrennungen in Pashupanitath zu erfahren. Schwelende Scheiterhaufen, weinende Angehörige ... Bilder, die nun überall zu sehen sind. Ich erinnere mich gut an die Kinder, die hier im Wasser des Flusses Bagmati herumstiefelten, nach Wertsachen der Verstorbenen suchten, sich mit bloßen Händen durch Asche, Müll und Dreck wühlten. So wie Helfer sich nun durch die Trümmer der Häuser wühlen. Am anderen Ufer des Flusses saßen die Sadhus mit ihren bunten Gewändern und Gesichtern, auf die Touristen wartend, die Finger zur Meditation aneinandergelegt.
Die Farben waren so intensiv, damals in Nepal. Der blaue Himmel und die blau bemalten Boote spiegelten sich im Phewa-See genauso wieder, wie die weißen Gletschergipfel des Annapurna-Gebirgsmassivs. Das rote Blut des Stieropfers rann glänzend die ockerfarbenen Fliesen von Manakamana herunter, zwischen den Füßen der Frauen hindurch, die pink- und orangefarbenen Saris trugen. Eine rostig-metallene Hängebrücke führte über den türkisfarbenen Fluss Trishuli zu einem kleinen Dorf an einem grünen Hügel. Hier stapelten sich vor den Holzhäusern buntes Gemüse, farbenfrohe Plastik-Pötte und leuchtende Bilder von Brahma, Shiva und Ganesha.
Am Kloster bei Namo Buddha, mitten in den Bergen, mit grandiosem Ausblick auf den Himalaya, drehte ich die ratternden Gebetsmühlen. Auf einem der vielen Balkone hatten sich dort Dutzende junge Mönche in gelben und roten Umhängen zum Beten versammelt. Der ganze Berghang war übersät mit Gebetsfahnen, die in der Sonne schienen, im Wind flatterten und die Gebete zum Himmel trugen. Alles Seiende ist unbeständig, lehrte Buddha. Alles ist vergänglich. Leid, Trauer und Schmerz sind Teil des Lebens. Und gerade nach diesem Erdbeben allgegenwärtig. Die Gebetsfahnen wehen weiter.