Shake it Baby: In der Wüste von Dubai - Wo Dünen und Bauchtanz verzaubern
11.10.2016 12:12Tanzen, sagen die Einen. Wackeln, die Anderen. Hypnotisierende Erotik, die Dritten. Sie ist Bauchtänzerin - und alle starren sie an, verfolgen ihre Bewegungen, ihre Grazie. Die Musik ist ohrenbetäubend laut. Erst trippelt sie, dann hüpft sie, dreht sich im Rhythmus, wiegt den Kopf in die eine Richtung, ein Bein in die andere. Dann nimmt sie einen Säbel, balanciert diesen erst auf ihrer üppigen Oberweite, fährt sich wenige Augenblicke später lüstern mit der Klinge durchs lange Haar. Elegant verrenkt sie sich, die Hüften wiegen im Takt der Melodie. Plötzlich fixiert sie einen der Gäste mit ihren Kajal-umrandeten Augen, schlangenähnlich lässt sie ihre Arme wogen, bis der arme Kerl ihr verfällt, wie einst Odysseus den Sirenen. Die anderen Männer, die erst noch johlten, verstummen immer mehr, nicht nur wegen der lasziven Gestalt vor ihnen, auch wegen der einschüchternden Blicke ihrer Frauen, die mit Eifersucht die Bauchtänzerin gerade am Liebsten erdolchen möchten.
Sie ist nur eine von vielen Bauchtänzerinnen, die hier, in einem Camp in der Wüste südlich von Dubai, jeden Abend ihr Können zeigen. Hier treffen sich die Touristen, die vorher mit Jeeps durch die Wüste gebrettert sind - Dune Bashing nennt sich der ökologisch bedenkliche Spaß, der allerdings ein Muss für jeden Besucher der Vereinigten Arabischen Emirate zu sein scheint. Ganze Kolonnen an Geländewagen rasen hier jeden Abend die Dünen hoch und runter. Alles wird durchgerüttelt, wir schlittern und schlingern, nach rechts und links, rutschen weg und richten uns wieder gerade. "Shake it Baby" ruft der Fahrer und dreht die arabische Musik lauter. Ich klammere mich mit einer Hand am gepolsterten Überrollbügel fest, in der anderen versuche ich die Kamera halbwegs wackelfrei zu halten. Irgendwie gelingt mir das erst, als wir kurz etwas langsamer sind, um einen Reifenwechsel bei einem anderen Jeep nicht zu gefährden. Ansonsten gleicht die Strecke einer Achterbahnfahrt.
Die Rüttelei findet erst nach dem Sonnenuntergang ihr Ende - abseits aller Straßen, irgendwo in einem der vielen extra dafür gebauten Camps. Hier ist der Abschluss der Wüstentour, mit Abendessen und "Folklore"-Darbietung. Mir war klar, dass es eine Massenabfertigung sein würde - dennoch wollte ich die Wüste einfach mal wieder sehen - und etwas Unterhaltung dabei haben. Nun sitze ich hier, mit vollem Magen, der zwei Stunden zuvor noch kräftig auf den Sanddünen durchgeschüttelt wurde und lasse auch mich von der Tänzerin in den Bann ziehen. Bei ihr bekommt das "Shake it Baby" eine andere Bedeutung. In der Show traten zuvor tanzende Derwische, Musiker und Feuertänzer auf. Doch der Bauchtanz ist immer der krönende Abschluss, wenn alle Gäste, halb sediert vom Essen, sich dieser orientalischen Unterhaltung hingeben.
Die wichtigste Voraussetzung für eine Bauchtänzerin ist ein Bauch. Logisch zwar, aber Bauch ist nicht gleich Bauch. Manche Menschen, auch hier im Publikum, haben einen riesigen Wanst. Doch die Meisten hätten wohl am Liebsten gar keinen vorgewölbten Bauch. Viele Männer und Frauen streben heute danach, den Bereich zwischen Dekolleté und Leistengegend möglichst flach zu halten, unter Umständen sogar durchzogen von den Strichen eines leichten Sixpacks. Bauchfreie Tops und Hüfthosen nutzen entsprechend ausgestattete Frauen gerne, um den Blick auf eben diese wohl geformte Ebene zu richten. Gerade und flache Linien haben beim Bauchtanz allerdings keinen Platz. Kein mageres Topmodel könnte sich hier auf der Bühne präsentieren, wo der Anblick von Knochen nur die Hunde verzückt. Schließlich muss es Beben und Zucken, wenn die geübte Tänzerin ihren Abdomen in Bewegung versetzt. Da ist zuwenig Fett genauso schlecht wie zu viel. Es muss artistisch aussehen, genauso, als trainiere sie jeden Tag an ihrer Laszivität, als würde der Tanz keine Anstrengung mehr sein, sondern nur ein Mittel zum Zweck - zum Verzaubern der Zuschauer.
Die Tänzerin vermittelt das Gefühl, in der lasziven Fingerbewegung vor ihrem Bauch mehr Erotik zu verstrahlen, als eine Stripperin in ihrem ganzen verschwitzten Äußeren an einer Gogo-Stange. Auch das Tanzen ist hier natürlich etwas ganz anderes, als bloße taktgenaue Fußbewegung. Sie tanzt mit ihrem ganzen Körper, mit ihren Gefühlen, ihrem Ausdruck. Das sanfte Wackeln und rhythmische Anheben ihrer Hüften, gemeinsam mit dem Rasseln der metallenen Schmuckstücke, hypnotisiert den Beobachter. Ein Wegschauen ist kaum mehr möglich, wieso auch. Die Künstlerin wird zur feurigen Göttin, zur mystischen Dschinniya, der jeder Wunsch erfüllt werden könnte - jeder Mann wäre ihr in diesem Moment hörig, würde für sie die Welt erobern oder vernichten.
Doch dieser Trance-Zustand währt nicht lange an. Zwar vergisst man für einen kurzen Moment Zeit und Raum - aber sobald die Musik stoppt, das Licht wieder heller wird und sich die Bauchtänzerin verbeugt, erwacht man aus dem orientalischen Traum. Das Bewusstsein kehrt zurück, gemeinsam mit dem Realisieren, wie einfach man verführt werden könnte. Wie einfach diese Kombination aus Bewegung, Ausstrahlung und Musik die Sinne vernebeln und einen an den Rand der Selbstaufgabe treiben kann. Die Bauchtänzerin verbeugt sich unter dem erst langsam anschwellenden Applaus mit einem wissenden Lächeln, schlüpft in ihre Sandalen, nimmt sich ihre Säbel und entschwindet in das Dunkel zwischen den Zeltwänden. Ganz so, wie eine geheimnisvolle Dschinniya in eine Wunderlampe hineintaucht, verlässt sie unsere Wirklichkeit.
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