Es fällt mir manchmal schwer, den Unterschied festzustellen: Welches Haus wurde jetzt vom Tsunami zerstört und welches im Krieg zwischen den Tamilischen Tigern und der sri-lankischen Armee? Kaum eines hat mehr ein Dach, Türen, Fenster, Möbel und Menschen fehlen. Einschusslöcher sind ein guter Hinweis - jedoch auch bei Bombenattacken nicht zu sehen. Rote Flecken an einer Wand, garniert mit Löchern, lassen keinen Zweifel aufkommen. Feuchtigkeit und Schimmel? Sind in der Nähe der Küste nichts auffälliges. Wie morbide es scheint, die unterschiedlichen Auswirkungen von Zerstörung vergleichen zu wollen: Beide Katastrophen haben unsägliches Leid über diesen Landstrich im Nordosten von Sri Lanka gebracht.
Auch elf Jahre nach dem verheerenden Tsunami und sechs Jahre nach dem Niederschlag der tamilischen Rebellen sind die Spuren von Flutwelle und Krieg noch überall zusehen. Ein riesiger, in den Kampfwirren gesprengter Wasserturm liegt wie eine umgekippte Schachfigur als Mahnmal für Frieden direkt an der Hauptstraße von Kilinochchi. "Say no to destruction - never again" steht auf einem Schild davor. Ein paar Hundert Meter entfernt: ein Siegesdenkmal für die sri-lankische Armee - eine Patrone, die eine Wand zerschlägt. Widersprüchlichkeit ist kein Problem.
Andere Zeichen sind die unzähligen Schilder von Hilfsorganisationen, die nach dem Tsunami tätig wurden. Sie zeigen, wo Familien nach der Welle "relocated" wurden, sie zeigen, welches Krankenhaus neu errichtet wurde. Etliche Dächer tragen nun ihre Logos, eine permanente Erinnerung daran, wem die Menschen ihr neues Zuhause zu verdanken haben.
In Point Pedro, ganz im Norden von Sri Lanka, sehe ich viele zerstörte Häuser, die meisten sind mehr oder weniger verrammelt, Bäume und Sträucher wachsen darüber. Ein paar Meter weiter steht mitunter ein glänzender Neubau - Ruinen und moderne Bauten bilden hier eine morbide Melange. Am Strand von Point Pedro laden Fischer ihre Ladung aus. Winzige Fische, ein paar Langusten, Babyhaie, die auch in irgendeinem Essen landen. "Good catch today?" frage ich, ein bemühtes Lächeln kommt zurück, der Mann will meine Frage nicht richtig verstehen. Offenbar ein normaler Fang, den er mit seinem Kumpels mühselig aus dem Netzen fingert. Alle hier haben Angehörige oder Freunde verloren, sei es durch Wasser oder Waffen. Viele waren selbst Teil der Streitkräfte.
Bei meinem Besuch hier schüttet es zeitweise wie aus Kübeln. Der Monsun hat alles unter Wasser gesetzt, einige Straßen sind überschwemmt, die braune Brühe bahnt sich den Weg durch Felder und Gassen. In dem trüben Licht wirken die Trümmer der Häuser umso gruseliger. Ich komme an einigen Friedhöfen vorbei, viele Gräber stammen aus dem vergangenen Jahrzehnt. Bis zu 40.000 Menschen starben in Sri Lanka 2004 durch den Tsunami, bis zu 100.000 durch den Bürgerkrieg, der von 1983 bis 2009 tobte. Schilder mit der Forderung nach Peace wirken wie die Hoffnung, die zuletzt stirbt.
Doch natürlich geht das Leben weiter, es muss. Neue Shops haben geöffnet, Plakate zeugen von der Planung einer größeren Einkaufs-Mall in Nelliadi. In Jaffna haben Kühe und Cricket-Spieler das alte Fort erobert, dass eines der umkämpften Orte des Kriegs war. Nahe der Festung sind noch viele Einschusslöcher in Trümmern sichtbar. Auch in einigen kleineren Orten weiter im Osten sind Kriegsspuren zu sehen - vor allem rund um Mullaitivu, der Stadt, wo 2009 die letzten entscheidenden Schlachten zwischen den Tamilischen Tigern LTTE und der sri-lankischen Armee stattfanden. Zerstörte Lkw verrosten hier, auch einige Überreste der LTTE-Panzer und -Schiffe liegen heute noch um die abgesperrte Lagune, bei der der einstige Führer der LTTE, Velupillai Prabhakaran, sein Ende fand. Im Nordosten sind viele Militärstützpunkte. Ich soll nicht zu weit von der Straße weggehen, da liegen Minen im Boden, bekomme ich gesagt.
Noch etwas weiter an der östlichen Küste, weiter in Richtung Süden, sehe ich komplett neue Dörfer, während andere, näher an der Küste, einsam verrotten. Einige Hotels direkt an den wunderschönen Sandstränden sind neu gebaut, andere, direkt daneben, bestehen nur noch aus einer bröckelnden Fassade. Unzählige Palmen wurden neu gepflanzt, um das Paradies nach dem zerstörenden Tsunami wieder zu beleben. Es ist merkwürdig, hier zu baden, wo noch wenige Touristen sind. Viele Liegen am Strand sind verwaist, Masseure und Tauchlehrer drehen Däumchen oder schauen Handy-Videos. Vielleicht ist es etwas tröstlich, dass ich mit einem Besuch, meinen Devisen, meinem Interesse zumindest einen kleinen Teil Aufbauhilfe leisten kann, jetzt wo sich viele Hilfsorganisationen wieder verabschiedet haben. Für die Menschen hier ist das Leben zwischen Zerstörung und Aufbau zum Alltag geworden - und es gibt noch viel zu tun.
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