Süffeln und schlözen - am Roten Hang in Nierstein
15.06.2014 00:00Die alte Kelter ist das erste Ziel - und natürlich der Anfang. Denn hier ist der erste Stand vom Weinfest am Roten Hang bei Nierstein. Und dahin geht es erstmal ein paar hundert Meter steil die kleine Steige hinauf, vorbei an grünen Wingerten und Dutzenden parkenden Autos. Unterschätzen die Fahrer die Versuchung des Weins, die Verlockung des Rausches? Oder haben sie sich vorgenommen, nur zwei drei kleine Gläschen zu trinken? Dann habe ich Mitleid. Sonst nicht.
Bei mir machen sich eher Gefühle von Freude bis zur Verzweiflung breit. Denn ich weiß ja, ich kann nicht alle Weine am Roten Hang probieren, muss eine Auswahl treffen an dem halben Dutzend Pavillons, wo jeweils zehn Weine ausgeschenkt werden. Muss mich zwischen Winzern und Lagen entscheiden, zwischen trocken und halbtrocken (lieblich lasse ich mal außen vor...). Ist die Wahl erfolgt, geht das Zelebrieren los. Wenn der Korken ploppt, der Schraubverschluss knarzt, dann fließt ein beglückendes Gluckgluckgluck ins Glas.
Und dann kann auch die liebste Nebenbeschäftigung des Tages in einer der besten Riesling-Lagen der Welt beginnen, das Schlendern entlang der Rebhänge, das Rumschlözen auf Stühlen und Bänken, in gemütlicher Runde bei guten Gesprächen. Die zunächst noch grauen Wolken ziehen so schnell vorbei wie die Festbesucher. Wenn dann später die Sonne die Hänge erleuchtet, wähnt man sich dem Paradies ziemlich nahe. Der Blick schweift kilometerweit bis zum Odenwald. Freunde laufen mir über den Weg, Kollegen, Bekannte, alle genießen das laue Sommerwetter, sitzen da am Hang und wollen ihre Plätze am Liebsten nie mehr hergeben.
Nach ein paar Stunden (und Gläsern) hat sich der entspannte Suff auch im Kopf und auf der Zunge breit gemacht. Die Füße allerdings müssen noch tragen - und zwar ein paar weitere Meter den Hang nach oben, in Richtung Fockenberghütte, wo an der Riesling-Lounge die laue Sommernacht mit noch mehr Wein und Musik weiter begossen wird. Anfangs mit eher verhaltener Stimmung, relaxtem Herumtreiben, die letzten Sonnenstrahlen werden noch ausgekostet. In der Dämmerung füllt es sich, die Musik wird langsam lauter und lockt die Nachtschwärmer an, die mitunter keuchend und schwitzend die Steig erklommen haben. Kegelförmige Lichtstrahler tanzen im Wind, tauchen die Szenerie in grelle Farben und lassen die Seifenblasen funkeln.
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