Erinnerungen an Syrien - Vor dem Krieg

22.11.2012 21:13

 

Im Jahr 2012 ist Bürgerkrieg in Syrien. Menschen sterben - Soldaten, Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder, Unschuldige, Schuldige. Wie es eben so ist in einem Krieg. Täglich lese ich im Herbst in den Nachrichten von Anschlägen, von Terror, von Flucht. Und ich erinnere mich zurück, an meinen Besuch in Syrien, gut drei Jahre bevor der Krieg dort begann.
Von Amman kam ich mit der kleinen Reisegruppe über die Grenze. Über Dara ging es nach Damaskus, Homs und Aleppo. Im Gegensatz zu Tunesien, Ägypten oder Jordanien fühlte ich mich in Syrien weniger als Tourist - was vielleicht daran lag, dass die Händler nicht so aufdringlich waren, dass die Bettler nicht ständig nach Bakschisch riefen oder mitleidig die Hand ausstreckten. Syrien war schon damals nicht, eigentlich nie, eines der Top-Tourismusländer. Der Krieg wird es nicht ändern. Vielleicht wird es irgendwann danach aufblühen, so wie Vietnam derzeit. Syrien hat keine Pyramiden, kein Petra, keine bedeutsamen All-Inklusive-Hotelburgen am Mittelmeer. Dafür hat Syrien Kreuzritterburgen - das Krak de Chevalier etwa, majestätisch an einem Berg gelegen -, außerdem die riesigen hölzernen Wasserräder von Hama oder auch die grandiose antike Oasenstadt Palmyra.


Ich werde nie vergessen, wie ich dort abends vom Hotel durch die Gassen der Stadt in Richtung der alten Tempel und Pylonen ging, der volle Mond herabschien und kaum eine Menschenseele unterwegs war. Ich konnte ungehindert zwischen den riesigen Säulen, viele davon umgestürzt, entlang laufen, am Amphitheater vorbei, es gab keinen Zaun, keinen Polizisten oder Sicherheitsleute, die einen davon abhalten wollten. Vereinzelt fuhr ein Auto auf der Straße vorbei oder ein Motorrad bahnte sich den Weg durch die Ruinen des Unesco-Weltkulturerbes. Über eine Stunde blieb ich bei den großen Steinquadern, genoss die Stille in den 2000 Jahre alten Ruinen und wunderte mich darüber, dass nicht mehr Menschen am Abend die grandiose Kulisse genießen wollten. Tagsüber freilich wimmelte Palmyra von Touristen, Kameltreibern, Cola-Verkäufern und Tuchhändlern, nur abseits der großen Kolonadenstraße herrschte auch hier Leere.

Ein Junge vor der Zitadelle in Aleppo, Syrien. Foto: Wolfgang Bürkle
 

In Aleppo, der Kulturhauptstadt des Islam im Jahr 2006, Kriegsschauplatz im Jahr 2012, zieht sich der Souk rings um die riesige Zitadelle. Als ich dort herum schlenderte, waren vor dem riesigen mittelalterlichen Bauwerk die Straßen und Plätze sauber und gepflegt, die Bäume gestutzt und die Mülleimer geleert. Die schiere Größe der Zitadelle beeindruckte mich: Riesige Hallen im Inneren, mit Holz verkleidet und reich mit Mosaiken verziert. Im oberen Freibereich ein Amphitheater und massive steinerne Saunadächer, die auch aus einem Star-Wars-Film stammen könnten. Der Blick auf Aleppo über die Mauer ebenso grandios - die zweitgrößte Stadt Syriens liegt einem zu Füßen. 

Am Abend ein Farbenspiel: die Steinbrücke zum Hauptportal wird mit wechselnden Farben in Szene gesetzt. Dabei immer dominierend: das Grün, die Farbe des Islam, die Farbe des Mantels von Mohammed. Und die Farbe der Hoffnung, die sich in meinen Gedanken festgesetzt hat, jetzt, in den Tagen und Monaten des Krieges. Die Hoffnung, das das Land und seine gespaltene Bevölkerung Frieden findet. Die Hoffnung, dass einmalige Kulturdenkmäler von Raketen und Maschinengewehren verschont bleiben. 

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