Unterwegs in Madagaskar: Den Lemuren auf der Spur

17.04.2024 12:29

Es regnet in Strömen, alle Klamotten sind durchnässt, da bringt auch das beste Funktionsmaterial nichts. Regenjacke, Shirt, Hose und Socken, bis auf die Unterhose, alles ist mittlerweile nass. Ich habe Mühe, die Kamera halbwegs zu schützen, lasse sie in der Tasche und will sie eigentlich auch gar nicht mehr rausholen. Immerhin ist es warm. Denn es ist Regenzeit in Madagaskar und ich bin im Regenwald auf der Suche nach Lemuren. Bei diesem Wetter gleicht es dem Aufspüren einer Nadel im Heuhaufen. Das hatte ich mir vorher irgendwie etwas anders vorgestellt. Jetzt laufe ich seit mehreren Stunden durch den Ranomafana-Nationalpark und habe ein wenig die Schnauze voll. 

 
Der Guide trägt keine Funktionskleidung, dafür Basecap, T-Shirt und eine Weste, die aus einheimischen Gräsern geflochten ist. Auch er ist natürlich nass, zieht die Tour aber scheinbar unbeeindruckt durch. Die Wege sind matschig, rutschig, und schnell verliere ich die Orientierung. Irgendwann straucheln wir einen Abhang herunter, Rotbauch-Makis wurden irgendwo dort unten gesichtet. Okay, na dann nix wie hin, durch Matsch und den dichten Pflanzenbewuchs hindurch. Die Makis tummeln sich schließlich ein paar Meter über uns in den Bäumen, ducken sich auf den Ästen und sind kaum zu sehen, geschweige denn ordentlich zu fotografieren. Dunkle pelzige Flecken auf einem etwas weniger dunklen Ast. Wassertropfen plumpsen mir auf die Brille, auf die Linse und sowieso überall hin. Na immerhin konnte ich diese Lemuren schemenhaft sehen. Wir stapfen weiter, den Hang wieder hinauf, in der Hoffnung, im Ranomafana-Nationalpark noch weitere zu sehen. Doch die putzigen Primaten haben offenbar genauso wenig Lust auf Regen wie ich. Noch eine gute Stunde vergeht, unter den Socken quietscht nun auch die Nässe im Schuh, bis wir einen einsamen Bambuslemur sehen. Aber auch er (oder sie?) hat Besseres zu tun, als uns näherzukommen. Er bleibt ein atmender, pelziger, kugeliger Schatten auf einem Ast. 
 
 
Ja, bedrohte Tiere bei strömenden Regen zu beobachten, kann eine Herausforderung sein. Ich will nicht wissen, wie viele Forscher hier Wochen verbringen, nur um einen weiteren seltenen Lemur zu finden. Ich verbuche also diese Regen-Tour als einzigartiges Abenteuer im Regenwald. Ein paar alte Steine und Teile des reißenden Ranomafana-Flusses habe ich ja schließlich auch erlebt. Und was tut man nicht alles, um Lemuren in freier Wildbahn zu sehen... Meine erste "persönliche" Begegnung mit Lemuren hatte ich 2015 im Zoo von Pilsen. Hier chillten die schwarz-weißen Kattas nur eine Armlänge entfernt von mir herum in einem Freigehege. Bei strahlendem Sonnenschein und wohlgenährt, mit frischem Obst und Gemüse in greifbarer Nähe. "King Julien" up close, entsprechend gut gelangen auch die Fotos. Aber wie es eben so ist, Zoos können die Freiheit und das Abenteuer in der echten Heimat der Tiere nicht ersetzen. Und Madagaskar hat ja auch noch etwas mehr zu bieten, als "nur" Lemuren. Baobab-Bäume etwa, tolle Strände und eine grandiose Landschaft im zentralen Hochland.
 
 
Dort liegt auch das Anja Community Reserve, gut 120 Kilometer südlich vom Ranomafana-Nationalpark an der RN7. Und wer Kattas in freier Wildbahn sehen will, muss hier hin! Okay, ich mache hier unbezahlte Werbung, aber das Reservat ist ein Naturschutzprojekt der lokalen Bevölkerung, entsprechend profitieren diese hier direkt von einem Besuch und setzen sich vorbildlich für den Erhalt des Parks und der Flora und Fauna ein. Das Gute ist auch: Bei meinem Besuch regnet es nicht. Also geht es los, eher ein Spaziergang, durch einen kleinen Urwald am Fuße riesiger Granitfelsen, die auch die "Drei Schwestern" genannt werden. 
 
 
Im Vergleich zum Vortag dauert es nicht lange und die ersten Kattas machen auf sich aufmerksam. 29 Ringe am Schwanz, schwarz-weiße Fellfarbe, orangefarbene Augen. Sie rufen (oder jaulen?) und springen zwischen den Bäumen umher. Als wir näher kommen, beobachten uns einige skeptisch, zeigen uns auch gern den Rücken, hauen aber wenigstens nicht direkt ab. So richtig still halten sie dennoch natürlich nicht. Einige tragen Jungtiere, andere reiben ihre Hinterteile an die Äste. Immerhin sind hier ein paar ordentliche Fotos möglich.   
 
 
In den wenigen Stunden, die wir hier herumlaufen, sehen wir mehrere Lemuren-Gruppen. Dazwischen immer auch ein paar kleine Frösche, die sich auf Blättern ducken, ein paar Chamäleons und schließlich die Schlafstätte der Kattas, die sich nachts in den Spalten der riesigen Granitfelsen ausruhen. Als ich am Rande des kleinen Walds wieder einen Katta sehe, der seinen Hintern zur Gebietsmarkierung an einen Ast reibt, denke ich wieder: So frech sie manchmal wirken, umso mehr Angst muss man um die Lemuren im Allgemeinen haben. Ich bin froh, sie nach dem Regentag hier in halbwegs freier Wildbahn noch erleben zu können. Denn ihr Lebensraum auf Madagaskar wird immer kleiner und ihre Bedrohung größer. Ökotourismus, Aufforstung, Forschungsprojekte und das Einbinden der lokalen Bevölkerung sind unerlässlich, damit "King Julien" auch in Zukunft noch einen Platz hat, um zu "I like to move it" zu tanzen. Bevor sie auch bei gutem Wetter irgendwann nicht mehr zu sehen sein könnten. 
 
 
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