Von einer schwarzen Madonna und einem kopflosen Geist - In Cartago in Costa Rica

05.01.2016 11:35

Das Paar steht vor dem Altar der Schwarzen Madonna von Cartago, La Negrita, genannt. Feierlich herausgeputzt für den immer wieder so genannten "schönsten Tag des Lebens" blicken sie sich tief in die Augen. Sehr romantisch. Eine ältere Frau verdrückt ein Tränchen. Doch die große Basilika "Nuestra Señora de Los Ángeles" ist für diese Hochzeit noch nicht einmal zur Hälfte gefüllt - und viele der Gäste, so wie ich, sind normale Besucher, die nur zufällig der feierlichen Zeremonie an diesem Nachmittag beiwohnen. Die Familie des Paars hat sich auf ein paar Bänke vorne im Kirchenschiff verteilt. Immer wieder rutschen demütig Pilger zwischen den Bankreihen entlang, die nur die kleine schwarze Marienfigur aus Vulkangestein anbeten und anflehen wollen, bevor sie sich wieder in die schwüle Hitze nach draußen begeben. Das Brautpaar hält sich jedoch ungestört davon an den Händen, mit verliebten Blicken und heiligen Schwüren stecken sie sich die Ringe an und akzeptieren schließlich den Segen des Pfarrers. 

Basilika

 

Kameras machen Klick, zurückhaltender Applaus in den heiligen Hallen der Basilika, die als eine der wichtigsten Kirchen in ganz Costa Rica gilt. Eigentlich ist sie ein recht neues Gotteshaus, der Baustart war erst 1912 - und eben neben der Stelle, an der der Legende nach die kleine Marienfigur 1635 von einem jungen Mädchen gefunden wurde. Diese soll die Figur mitgenommen haben, doch am nächsten Morgen sei das schwarze Skulptürchen wieder zurück an ihrem ursprünglichen Ort gewesen. Dies habe sich mehrfach wiederholt - zum Erstaunen der Bevölkerung, die ruckzuck von einem Wunder sprach. Und so wurde der Ort für den Bau dieser Basilika bestimmt, zu Ehren von La Negrita.  

Hochzeit in der Basilika
 

Noch heute fließt neben dem Gotteshaus Wasser aus einer Quelle - Menschen stehen hier Schlange, um das heilige Wasser zu trinken oder in Flaschen abzufüllen, ein Wallfahrtsort ist daraus geworden. Die Basilika ist eine große und schöne Kirche, Engel zieren ihr Äußeres, an Spenden wird es nicht mangeln. Und wenn der Glaube Berge versetzen kann, dann sollen hier keine mehr versetzt werden. Denn vorher war die Parroquia de Santiago Apóstol die bedeutendste Kirche der Stadt - ein paar hundert Meter entfernt. Doch von dieser sind nach einigen Naturkatastrophen nur noch die mächtigen Seitenwände übrig. Und die zweite Legende der Stadt hat dort ihren Ursprung. 

Kirche des Apostels Santiago in Cartago, Costa Rica. Foto: Wolfgang Bürkle

Ich muss gestehen, ich bin ein großer Fan von Ruinen. Seien es riesige Pyramiden, uralte Tempel oder einst verschollene Siedlungen. Doch gerade historisch interessante Gebäude sind im naturgewaltigen Costa Rica spärlich gesät - deswegen war ich umso erfreuter, dass sich in Cartago noch die Überreste einer Kirche befinden. Natürlich ist die Kirche des Apostels Santiago jetzt kein tausend Jahre alter Dom, der in Trümmern liegt. Aber sie ist ein kleiner magischer Ort inmitten einer wuseligen Stadt. Die Kirche wurde seit ihrem ersten Baubeginn 1575 immer wieder von Beben zerstört und danach erneut aufgebaut - bis zum endgültigen Stopp der Arbeiten 1910, nach dem Santa-Monica-Erdbeben. Die Stadt, einst Hauptstadt von Costa Rica, hatte im häufigen Erdbebenreigen und Ascheregen des Vulkans Irazú 1823 diesen Status verloren. Und die neue große Basilika, der Nachfolgebau am Fundort der Schwarzen Madonna, wurde schließlich gebaut. 

An den gewaltigen Außenmauern der Kirche des Apostels Santiago wachsen ein paar Flechten. Ein kleines Metallkreuz prangt über dem Eingangsportal mit einer kleinen Glocke. Im Inneren des Gotteshauses sind keine hölzernen Altäre mehr zu finden, sondern in einem kleinen Park plätschert ein Brunnen, Gras- und Blumenflächen wurden angelegt, Bäume statt Säulen wachsen dem Himmel entgegen und auf steinernen Vorsprüngen sitzen Liebespaare und Familien. Auf einem Schild wird von der Legende berichtet, dass hier einst ein Priester seinen Bruder ermordete - nun wandert er als kopfloser Geist in der Kirche umher und muss Buße tun. In nebligen Nächten könne man den wandelnden Geist hier spuken sehen. Doch bei strahlendem Sonnenschein setze ich mich lieber unter die hohen Bäume, betrachte die bunten Pflanzen, die aus den Säulenfüssen sprießen, und genieße die entspannte Atmosphäre. Eigentlich könnten mehr Kirchen so sein, ein prächtiger offener Park, in dem das Leben und die guten Geister aufblühen. 

Kirche des Apostels Santiago in Cartago, Costa Rica. Foto: Wolfgang Bürkle

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