Wunschdenken gegen Realität: Bei den Pyramiden von Gizeh
03.06.2016 11:16Irgendwie hatte ich ein anderes Bild von den berühmten Pyramiden vor meinem geistigen Auge. So ein bisschen von Asterix geprägt. Und von den "Mumien"-Filmen. Ich dachte, hoffte zumindest, dass diese riesigen Weltwunder einsam in der Wüste stehen, Sanddünen drumrum, zumindest ein paar Kilometer von Häusern entfernt. Schön im Morgennebel vielleicht, irgendwie geheimnisvoll. Aber ich lag so richtig falsch. Denn mittlerweile sind Kairo und Gizeh so riesig gewachsen, dass die Pyramiden quasi direkt am Ortsrand der Megastadt liegen. Stünden die Zäune und Absperrungen nicht, würden wohl schon die ersten Wohnhäuser zwischen den uralten Riesengräbern gebaut werden.
Und noch eine Enttäuschung: Ich habe zwar schon gewusst, dass man nicht offiziell auf die Pyramiden klettern darf, aber hoffte insgeheim doch, dass man zumindest ein paar der hohen Stufen erklimmen könnte. Doch leider leider: Absperrseile und Sicherheitspersonal verhinderten dies. Keine Chance für einen Blick aus höchster Höhe. Keine Chance, die riesigen Steinquader hoch zu kraxeln. Bei vielen Besuchern ist das natürlich verständlich, sonst würden die ja auch überall rumklettern und vielleicht sogar ihren Namen reinritzen. So blickte ich mit offenem Mund herauf und versuchte eben von unten, die Spitze der Pyramiden auszumachen.
Und was habe ich nicht alles über die Pyramiden gelesen und gesehen. Von den Pharaonen mit tausenden Sklaven erbaut, vielleicht aber auch von Aliens, oder doch mit Unterstützung vom Zaubertrank. Von Illuminaten als Symbol verwendet, von Verwirrten als Weg in die Astralwelt oder als Stabilisatoren des Magnetfelds der Erde bezeichnet. Ein sagenhafter Ort eigentlich, noch nicht einmal vollständig erforscht - alle paar Wochen tauchen in den Zeitungen wieder Neuigkeiten zu irgendwelchen Gräbern, Hieroglyphen oder versteckten Kammern auf. Alles gute Gründe, dass die Touristen trotz Reisewarnungen und Unsicherheiten in Scharen herbei strömen. Schlange stehen ist angesagt, um einen Blick in das Innere einer Pyramide zu erlangen. Kaum Schatten, viel Sonne, egal. Man will sich einmal wie ein Abenteurer fühlen, der nicht weiß, was ihn am Ende eines dunklen Ganges erwartet. Ein Abenteurer, der darauf warten muss, bis sein Vordermann den Hintern den dunklen Gang hinunter bewegt.
Selbst wenn ich kein Freund enger Tunnel bin: Hier musste das eben sein. Allein durch die Legende von Pharaos Fluch, die Mythen, die sich um die geheimnisvollen Bauwerke ranken. Die Chephren-Pyramide, die mittlere der drei, war zugänglich. Heiß, stickig, war es in ihrem Inneren, ein schmaler Weg führte erst nach unten, dann wieder nach oben. Drinnen tummelten sich Besucher, machten Fotos im schummrigen Licht von den fast schmucklosen Wänden, den Überresten von Sarg und Grabkammer. Kein Gold, keine Mumie, keine Hieroglyphen mit lustigen Männchen oder Göttern. Alles Wertvolle ist geraubt oder in Museen. Schon ein bisschen enttäuschend. Und ich fühlte mich mulmig, mit tausenden Tonnen von Gestein über mir - und war der Windstoß gerade nicht vielleicht der verfluchende Todesatem des Pharao?
Das Schönste an den Pyramiden, so wird mir im Nachhinein klar, ist der Blick auf sie von außen. Vielleicht noch mit der Sphinx im Vordergrund, oder von einem Aussichtspunkt im Südwesten betrachtet. Wenn man die Größe der Weltwunder im Vergleich zu den winzigen Menschen daneben sieht, das Gewaltige an ihnen spürt. Wenn Dromedare von eifrigen Ägyptern für ein kleines Bakschisch davor posieren oder in Karawanen daran vorbei ziehen. Dann kommt die Realität ein wenig an das Wunschdenken heran, an die über Jahre hinweg entstandenen Bilder in meinem Kopf. Das romantisierte Bild der Pyramiden ist es, was ich im Gedächtnis behalten will.
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